PORZELLAN-MANUFAKTUR. »KAFFEE- UND TEESERVICE«
MEISSENER PORZELLAN.
VON ALEXANDER V. GLEICHEN-RUSSWURM.
Für den Sammler, den Kunsthistoriker und die Prunkschüssel und die beiden kleinen Tafei-
den Freund schöner Dinge überhaupt hat aufsatzstücke, Bonbonschale und Rahmkanne
der Name Meißen einen Zauberklang, seit in von Kändlers sogenanntem „Schwanenser-
Europa Porzellan hergestellt und geschäftlich vice", so zaubert sich die Phantasie ein Bild
vertrieben wurde. Der Tafelschmuck, die von prächtiger Geselligkeit. Der Bildhauer
Kunst den Tisch zu decken änderte sich Johann Joachim Kändler, dessen Eigenart die
von schwerer Pracht zu zierlicher Anmut wie Manufaktur von 1735—75 beherrschte, legte
der ganze Lebensstil und die damals frisch ein- das Hauptgewicht auf plastische Behandlung,
geführten Getränke, Schokolade, Kaffee und wenn er auch nicht versäumte mit bedeutungs-
Tee, stellten neue Anforderungen an die Ge- voller Farbengebung zu wirken. Seine kräftige
räte. Als im Jahr 1709 der Alchymist Joh. und verständnisvolle Modellierung von Figuren
Friedr. Böttger statt künstlichen Goldes — wie von Ornamenten, von Geiäßen und Gefäß-
wie sich die Klatschbasen zugeraunt hatten — teilen ist bis heute kaum übertroffen worden,
auf der Leipziger Messe glasiertes und ungla- Die meisten Arbeiten, die den Weltruhm der
siertes Porzellan mit einigen weißen Stücken Meißener Fabrik begründeten und das Zeichen
darunter zur Schau gestellt.begann der Triumph- der gekreuzten Schwerter zur gesuchtesten Por-
zug der Manufaktur, die zuerst in Dresden und zellanmarke machten, stammen aus dieser Zeit,
dann in der Albrechtsburg zu Meißen einge- Eines der berühmtesten seiner Werke ist das
richtet wurde. Unter dem Schutz der sächsi- schon erwähnte Schwanenservice, das, im Auf-
sehen Kurfürsten und Könige entstanden Fi- trag des Ministers Grafen von Brühl ausgeführt,
guren und Gebrauchsgegenstände im prunk- auf Schloß Pf örten in der Lausitz die Zeitstürme
vollen Barockstil, in einem kräftig betonten überdauert hat. Es bestand aus 1900 Gegen-
Rokoko, in der Geschmacksrichtung des Empire ständen und wird heute wieder in alter Schön-
und der Biedermeierzeit, jedesmal vom Gepräge heit und Güte hergestellt,
einer bestimmten künstlerischen Persönlichkeit Ein anderes Service, aus Kändlers Künstler-
getragen. Jetzt greift die staatliche Fabrik auf geist hervorgegangen, ist mit Goldrand und
die alt bewährten Muster klug zurück, ohne sich alter kupfergrüner Blumenmalerei geschmückt,
dem Neuen zu verschließen, das von zielbe- die MittelterriDe auf dem abgebildeten Tisch
wußten Künstlern geschaffen, den Stilempfin- hat die Gestalt eines Hirsches und ist eines der
düngen der Gegenwart Rechnung trägt. letzten von Kändlers Werken. Damals war
Um dem Gebrauchsporzellan ästhetisch be- schönes Porzellan eine Seltenheit, heute durch
dingte, zweckentsprechende Form zu geben, die Wiederaufnahme der Herstellung alter Mu-
muß man sich klar machen, welche Bedingungen ster ist es wohl eine Kostbarkeit geblieben,
es zu erfüllen hat. Wirft man einen Bück auf aber es gehört zu den Vorbedingungen eines
XXVII. Janaar 1924. i
MEISSENER PORZELLAN.
VON ALEXANDER V. GLEICHEN-RUSSWURM.
Für den Sammler, den Kunsthistoriker und die Prunkschüssel und die beiden kleinen Tafei-
den Freund schöner Dinge überhaupt hat aufsatzstücke, Bonbonschale und Rahmkanne
der Name Meißen einen Zauberklang, seit in von Kändlers sogenanntem „Schwanenser-
Europa Porzellan hergestellt und geschäftlich vice", so zaubert sich die Phantasie ein Bild
vertrieben wurde. Der Tafelschmuck, die von prächtiger Geselligkeit. Der Bildhauer
Kunst den Tisch zu decken änderte sich Johann Joachim Kändler, dessen Eigenart die
von schwerer Pracht zu zierlicher Anmut wie Manufaktur von 1735—75 beherrschte, legte
der ganze Lebensstil und die damals frisch ein- das Hauptgewicht auf plastische Behandlung,
geführten Getränke, Schokolade, Kaffee und wenn er auch nicht versäumte mit bedeutungs-
Tee, stellten neue Anforderungen an die Ge- voller Farbengebung zu wirken. Seine kräftige
räte. Als im Jahr 1709 der Alchymist Joh. und verständnisvolle Modellierung von Figuren
Friedr. Böttger statt künstlichen Goldes — wie von Ornamenten, von Geiäßen und Gefäß-
wie sich die Klatschbasen zugeraunt hatten — teilen ist bis heute kaum übertroffen worden,
auf der Leipziger Messe glasiertes und ungla- Die meisten Arbeiten, die den Weltruhm der
siertes Porzellan mit einigen weißen Stücken Meißener Fabrik begründeten und das Zeichen
darunter zur Schau gestellt.begann der Triumph- der gekreuzten Schwerter zur gesuchtesten Por-
zug der Manufaktur, die zuerst in Dresden und zellanmarke machten, stammen aus dieser Zeit,
dann in der Albrechtsburg zu Meißen einge- Eines der berühmtesten seiner Werke ist das
richtet wurde. Unter dem Schutz der sächsi- schon erwähnte Schwanenservice, das, im Auf-
sehen Kurfürsten und Könige entstanden Fi- trag des Ministers Grafen von Brühl ausgeführt,
guren und Gebrauchsgegenstände im prunk- auf Schloß Pf örten in der Lausitz die Zeitstürme
vollen Barockstil, in einem kräftig betonten überdauert hat. Es bestand aus 1900 Gegen-
Rokoko, in der Geschmacksrichtung des Empire ständen und wird heute wieder in alter Schön-
und der Biedermeierzeit, jedesmal vom Gepräge heit und Güte hergestellt,
einer bestimmten künstlerischen Persönlichkeit Ein anderes Service, aus Kändlers Künstler-
getragen. Jetzt greift die staatliche Fabrik auf geist hervorgegangen, ist mit Goldrand und
die alt bewährten Muster klug zurück, ohne sich alter kupfergrüner Blumenmalerei geschmückt,
dem Neuen zu verschließen, das von zielbe- die MittelterriDe auf dem abgebildeten Tisch
wußten Künstlern geschaffen, den Stilempfin- hat die Gestalt eines Hirsches und ist eines der
düngen der Gegenwart Rechnung trägt. letzten von Kändlers Werken. Damals war
Um dem Gebrauchsporzellan ästhetisch be- schönes Porzellan eine Seltenheit, heute durch
dingte, zweckentsprechende Form zu geben, die Wiederaufnahme der Herstellung alter Mu-
muß man sich klar machen, welche Bedingungen ster ist es wohl eine Kostbarkeit geblieben,
es zu erfüllen hat. Wirft man einen Bück auf aber es gehört zu den Vorbedingungen eines
XXVII. Janaar 1924. i