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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

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Niebelschütz, Ernst von: Die klugen und törichten Jungfrauen des Magdeburger Doms, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0268

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GRUPPE DER
KLUGEN JUNG-
FRAUEN AM
MAGDEBURGER
DOM-PORTAL.

DIE KLUGEN UND TÖRICHTEN JUNGFRAUEN
DES MAGDEBURGER DOMES.

Das Thema der klugen und törichten Jung- dig: gerade von der dem französischem Einfluß
frauen, d.h. der nach Matthäus Kap. 24 am weitesten entrücktenMagdeburger Werk-
Vers 1—13 für das Himmelreich Berufenen und statt scheint diese ikonographisch so wichtige
Unberufenen, ist der französisch-mittelalter- Neuerung ausgegangen zu sein. Jedenfalls liegt
liehen Monumentalplastik fremd. Wohl finden kein Grund vor, die Figuren des Magdeburger
wir es dort an frühgotischen Kirchenpforten be- Paradiesportals von der bekannteren Straßbur-
handelt, aber nur in der Form des Flachreliefs ger Redaktion des Themas abhängig zu machen,
und an untergeordneter Stelle. Für den statu- Sie sind hier an der Elbe offenbar ganz spontan
arischen Hauptschmuck der Portale kommen in entstanden und gehören stilistisch ohne Frage
Frankreich auch während der Gotik fast aus- noch der Mitte des Jahrhunderts an, während
schließlich die historischen Gestalten der das Straßburger Portal oder gar die Jungfrauen
Bibel, Apostel und Propheten, in Betracht. der Freiburger Vorhalle erst in das letzte Vier-

Erst den Deutschen war es vorbehalten, tel des Jahrhunderts zu setzen sind,
das Symbolische, und noch dazu eine gar Die heutige Aufstellung ist nicht die ursprüng-
leicht zu genremäßiger Auffassung verleitende liehe. Auch ein in der Beurteilung mittelalter-
Jungmädchenversammlung, in den engbegrenz- licher Architekturplastik ungeübtes Auge wird
ten Kreis der großen Architekturplastik einzu- unschwer erkennen, daß die zehn Sandstein-
beziehen. Es muß eine erhöhte Freude an der figuren für dieses Portal nicht bestimmt ge-
dramatischen Konfrontierung zweier Gefühls- wesen sein können. Ihrer hohen Einzelschön-
welten — klug und töricht, Lust und Kummer heit tut jedoch die ungünstige Unterbringung
— gewesen sein, die bei uns das evangelische in den viel zu engen Kehlen des jüngeren Por-
Gleichnis so schnell populär machte, daß man tals schon darum wenig Abbruch, weil die
es bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts Statuen eine Stilphase repräsentieren, in der
unbedenklich für wert hielt, an Stelle der würdi- der Zusammenhang von Architektur und Bild-
gen Männer der Kirchengeschichte den Haupt- werk sich schon leise zu lockern beginnt. Die
platz am Portal einzunehmen. Und merkwür- Plastik tritt als ein mehr selbständiges Element

II. Februar 192*. 4
 
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