Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

DOI Artikel:
Straumer, Heinrich: Das Haus an der Rehwiese
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0278

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Haus an der Rehwiese.

PROF. HEINRICH STRAUMER. > GARTENWEG ZUM PAVILLON c

Erzgebirge ist mir dafür ein bezeichnender Aus-
druck in Erinnerung geblieben: „Was nützt der
Kuh Muskatenuß" und für die heutige Mensch-
heit ist es nicht sehr schmeichelhaft, daß es
nicht mehr Muskatnuß gibt. Zählen wir eine
schlichte, handwerkliche Bauweise unter die
Muskatnüsse, so müßte man doch allenthalben
deren recht viele finden. Liegt es nun an den
Baumeistern? Ich glaube mit nichten; denn
abgesehen davon, daß jeder sich ja seinen Bau-
meister selbst wählt, so ist das, was von einem
Hause gewöhnlich nicht erzählt wird, der größere
Teil der Mühe. Und wenn ein Haus schließlich
dasteht, und mehr oder weniger selbstverständ-
lich in allen Teilen sich behauptet, so fragt man
sich oft, ob denn der Kampf notwendig war,
den der Baumeister um jede Einzelheit führen
mußte. — Häufig mit dem Auftraggeber, mit
den Geschäftsleuten und allen den vielen Per-
sonen, die mit der Sache zu tun haben — oder
gar — wenn der Bauherr eine Behörde ist, mit
der hohen Obrigkeit. Dann denkt man darüber
nach, daß so etwas doch aus ganz ruhiger,
natürlicher Entwicklung sich im Jahre zwanzig
Mal vollziehen könnte, und ganze Straßenzüge

so einheitlich schön entstehen müßten. So
aber sind es da und dort wenige selbstverständ-
liche Werke, die nach aufreibendem Kampf
zwischen sonstiger Unrast entstehen.

Ich bleibe dabei, daß man ein gutes, ein-
faches Haus nur für einen guten, einfachen
Bauherrn errichten kann. Deshalb denke ich
dann auch, wenn ich in den Straßen spazieren
gehe und ein gutes Haus sehe, viel mehr an den
Bauherrn, als an den Architekten. Vor dem
guten Bauherrn ziehe ich den Hut ab, natür-
lich auch — vor dem Bauherrn des Hauses an

der Rehwiese. .............H-STR-

Ä

Wer einmal selber versucht hat, einen Stoff
zur Gestaltung zu bringen, den täuscht
nicht so leicht der Schein leichtfertigen Pfusch-
werks. Wer selber erlebt hat, was es heißt, der
Materie seinen Willen aufzuprägen, der bekommt
einen besseren Blick für die gestaltenden Wil-
lensmeinungen anderer. Es werden die Keime
geweckt zu dem, was dem Menschen unserer
Zeit so nötig ist, jener Sinn für das organische
Werden, das Gegengewicht gegen die Ge-
schmacklosigkeit.......PROF. FR. SCHUMACHER.

XXVIL Februar 1924. 5
 
Annotationen