Wille, Idee und Leidenschaft in der Kunst.
LOTTE PR1TZEL—MÜNCHEN. »PUPPEN FÜR VITRINEN«
nismus; natürlich ohne zu sagen, was sie sich
als Weiterentwicklung denkt. Um die vielen
Mitläufer wäre es freilich nicht schade; solche
hat es aber in jeder Bewegung gegeben; wer
historisch zu sehen gewöhnt ist, erblickt sie
leicht in zahllosen minderwertigen Arbeiten,
von ägyptischer Zeit her anfangend; im Im-
pressionismus haben sie viele von uns noch
miterlebt. Es hat gewiß etwas Unheimliches,
daß die Dinge stärker sind als die Menschen,
und zur Phrase wird, was einst Erlebnis war,
— doch scheint's eine fast physische Notwendig-
keit zu sein. Und an diesem Prozeß stirbt jedes-
mal eine Kunstrichtung. Plötzlich, von ge-
ringeren Händen wiederholt, ist Schönheit nicht
mehr Schönheit, trotz der gleichen Allüren und
des alten Aufputzes. Nur Eines bleibt: der
Weg, der zurückgelegt ist, hat seine Erfahrungen
hinterlassen; nichts Geschehenes kann je ver-
nichtet werden.
Die Geschichte lehrt uns nun, daß allemal
die am meisten gebrauchten und mißbrauchten
Formen und Gefühle von der nachfolgenden
Zeit am ängstlichsten vermieden werden. Das
wären also in unserem Fall: Pathos bis zur Ge-
waltsamkeit; Leidenschaft der Farbe; Rück-
sichtslosigkeit gegen jede enge Nützlichkeit;
Haß gegen jede literarische Bindung, desto stär-
kere Abhängigkeit von der Idee, bis zur puerilen
Genügsamkeit; mit welchen Elementen sich
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LOTTE PR1TZEL—MÜNCHEN. »PUPPEN FÜR VITRINEN«
nismus; natürlich ohne zu sagen, was sie sich
als Weiterentwicklung denkt. Um die vielen
Mitläufer wäre es freilich nicht schade; solche
hat es aber in jeder Bewegung gegeben; wer
historisch zu sehen gewöhnt ist, erblickt sie
leicht in zahllosen minderwertigen Arbeiten,
von ägyptischer Zeit her anfangend; im Im-
pressionismus haben sie viele von uns noch
miterlebt. Es hat gewiß etwas Unheimliches,
daß die Dinge stärker sind als die Menschen,
und zur Phrase wird, was einst Erlebnis war,
— doch scheint's eine fast physische Notwendig-
keit zu sein. Und an diesem Prozeß stirbt jedes-
mal eine Kunstrichtung. Plötzlich, von ge-
ringeren Händen wiederholt, ist Schönheit nicht
mehr Schönheit, trotz der gleichen Allüren und
des alten Aufputzes. Nur Eines bleibt: der
Weg, der zurückgelegt ist, hat seine Erfahrungen
hinterlassen; nichts Geschehenes kann je ver-
nichtet werden.
Die Geschichte lehrt uns nun, daß allemal
die am meisten gebrauchten und mißbrauchten
Formen und Gefühle von der nachfolgenden
Zeit am ängstlichsten vermieden werden. Das
wären also in unserem Fall: Pathos bis zur Ge-
waltsamkeit; Leidenschaft der Farbe; Rück-
sichtslosigkeit gegen jede enge Nützlichkeit;
Haß gegen jede literarische Bindung, desto stär-
kere Abhängigkeit von der Idee, bis zur puerilen
Genügsamkeit; mit welchen Elementen sich
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