Neue Gesinnung in der Kunst.
ERNST FRITSCH—BERLIN. »TIERGARTEN-BRÜCKE«
wort ist daher wieder: Hingabe an die Welt, der expressionistischen Vergangenheit, sondern
Durchbruch zum Objektiven. ein Wachsen darüber hinaus. Es ist ein so
Wie drückt sich dies künstlerisch aus? schonendes Vorwärtsgehen, daß zunächst gar
Es drückt sich vor allem aus in einem neuen keine neuen Gebärden, nichts „Richtunghaftes"
Verhältnis zur Welt der Formen, in einem neuen oder äußerlich Programmatisches sich hervor-
Verhältnis zu den Naturdingen und zum Hand- drängt. Es ist ein langsames Verschieben der
werk. Der Expressionismus hat sich daran ge- geistigen Grundlagen; es ist geradezu eine Ab-
geben, seine Welt aus der Herrlichkeit des sage an die stürmischen Programme, eine Heim-
Ichs zuerschaffen. Nun handelt es sich darum, kehr aus dem rebellischen Wollen in die Fröm-
die alte, die ewig neue Welt wieder zu finden, migkeit des Müssens. Das wird seine Frucht
Damit hängt zusammen die Richtung auf einen erst allmählich reifen können, und gerade dieses
neuen Realismus. Der Künstler findet sich end- allmählicheReifen, dieses Arbeiten ohne Schlag-
lich wieder in den Zusammenhang einer seien- wort und ohne Programm ist eine Gewähr für
den, wirklichen Welt hineingestellt, die er zu die Echtheit dessen, was jetzt beginnt,
erfahren, zu lieben, zu erkennen und zu deuten Es wird gut sein, vom Standpunkt dieser
hat. Er findet damit zugleich wieder den Weg neuen deutschen Kunstgesinnuog einen Blick
zurück zu ruhiger, eindringender, besonnener auf die Kunst andrer Länder zu werfen. Auch
Arbeit, zu einem gediegenen Handwerk und in Frankreich und Italien bereitet sich ein Wech-
Studium. Dies ist freilich kein Zurück zu dem sei der Kunstgesinnung vor. Diese Länder ha-
naiven Naturalismus früherer Zeit. Es ist ein ben die eigentliche expressionistische Erregung
Vorwärts zu den alten, ewigen Grundlagen der nicht mitgemacht. Aber sie haben trotzdem
Kunst, ein Vorwärts, das nicht denkbar ist ohne auf ihre Weise das Gefährliche und Unhaltbare
die Erfahrungen und Errungenschaften des letz- des modernen Subjektivismus in der Kunst er-
ten Jahrzehnts. Es ist beileibe kein Verleugnen fahren, und auch ihre neuesten künstlerischen
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ERNST FRITSCH—BERLIN. »TIERGARTEN-BRÜCKE«
wort ist daher wieder: Hingabe an die Welt, der expressionistischen Vergangenheit, sondern
Durchbruch zum Objektiven. ein Wachsen darüber hinaus. Es ist ein so
Wie drückt sich dies künstlerisch aus? schonendes Vorwärtsgehen, daß zunächst gar
Es drückt sich vor allem aus in einem neuen keine neuen Gebärden, nichts „Richtunghaftes"
Verhältnis zur Welt der Formen, in einem neuen oder äußerlich Programmatisches sich hervor-
Verhältnis zu den Naturdingen und zum Hand- drängt. Es ist ein langsames Verschieben der
werk. Der Expressionismus hat sich daran ge- geistigen Grundlagen; es ist geradezu eine Ab-
geben, seine Welt aus der Herrlichkeit des sage an die stürmischen Programme, eine Heim-
Ichs zuerschaffen. Nun handelt es sich darum, kehr aus dem rebellischen Wollen in die Fröm-
die alte, die ewig neue Welt wieder zu finden, migkeit des Müssens. Das wird seine Frucht
Damit hängt zusammen die Richtung auf einen erst allmählich reifen können, und gerade dieses
neuen Realismus. Der Künstler findet sich end- allmählicheReifen, dieses Arbeiten ohne Schlag-
lich wieder in den Zusammenhang einer seien- wort und ohne Programm ist eine Gewähr für
den, wirklichen Welt hineingestellt, die er zu die Echtheit dessen, was jetzt beginnt,
erfahren, zu lieben, zu erkennen und zu deuten Es wird gut sein, vom Standpunkt dieser
hat. Er findet damit zugleich wieder den Weg neuen deutschen Kunstgesinnuog einen Blick
zurück zu ruhiger, eindringender, besonnener auf die Kunst andrer Länder zu werfen. Auch
Arbeit, zu einem gediegenen Handwerk und in Frankreich und Italien bereitet sich ein Wech-
Studium. Dies ist freilich kein Zurück zu dem sei der Kunstgesinnung vor. Diese Länder ha-
naiven Naturalismus früherer Zeit. Es ist ein ben die eigentliche expressionistische Erregung
Vorwärts zu den alten, ewigen Grundlagen der nicht mitgemacht. Aber sie haben trotzdem
Kunst, ein Vorwärts, das nicht denkbar ist ohne auf ihre Weise das Gefährliche und Unhaltbare
die Erfahrungen und Errungenschaften des letz- des modernen Subjektivismus in der Kunst er-
ten Jahrzehnts. Es ist beileibe kein Verleugnen fahren, und auch ihre neuesten künstlerischen
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