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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 53.1923-1924

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Zimmermann, Ernst: Meissener Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.9146#0338

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PAUL SCHEURICH—BERLIN. »RUSSISCHES BALLETTt

MEISSENER PORZELLAN.

VON DR. ERNST ZIMMERMANN.

Unendlich künstlerisch ausnutzbar ist das
Porzellan, ja kein anderer edlerer Stoff
kommt ihm darin gleich. Denn die Porzellan-
kunst ist Form und Farbe, Plastik und Malerei
zugleich. Plastik, weil eben ihr Stoff Ton ist,
d. h. jenes wunderbar bildsame Material, das
sich zu allem formen läßt, Malerei, da sie
eine Feuerkunst darstellt, die das Einbrennen
unvergänglicher Farben gestattet wie kaum ein
anderer Stoff wieder. Und beides hat auch
jede Zeit, die gesund war, stets ausgenutzt,
und so sindin Europa, wie in China unsere bisher
schönsten Porzellane entstanden. In Europa,
indem man hier beides, Form und Farbe, auch
in vollendetster, unübertrefflicher Harmonie zu
vereinigen wußte, in China, indem man sich mehr
an die letztere hielt. Denn das Element der-
selben ist, wenn harmonisch durchgeführt, Ruhe,
und China ist dank seinem Konfuzianismus ja
stets das typische Land der Ruhe gewesen.

Was auf dem Gebiet der Plastik die Meißener
Manufaktur einst geleistet, ist weltbekannt.
Der Name Kändler strahlt noch immer als einer
der besten unter denen, die sich auf diesem
betätigt haben; er wird auch beständig weiter
strahlen, so lange es ein wahres Kunstgefühl gibt.
Wer kann es da der Meißener Manufaktur ver-
argen, wenn sie noch im Besitz seiner Formen
immer wieder seine unvergängliche Kunst zu
neuem Leben erweckt. Das Hauptwerk seiner
Tätigkeit aber war das Brühische „Schwanen-
Service", das damals für den allmächtigen Mi-
nister des Königs von Polen geschaffen ward,

ein Prunkservice, wie es kein zweites wieder
gegeben, und zugleich ein echtes Werk des
Rokoko, das diesem Stoff ja so ganz besonders
entgegen kam. Launisch in seiner Form, wie
es jenes verlangte und auch das Porzellan es so
gern sieht, voll zarter Reize, wie jenes es gleich-
falls begehrte, und dazu farbig, wo es farbig
sein durfte, so tritt es uns noch heute auch in
seiner Nachbildung entgegen und spricht von
einer Stilsicherheit, um die wir jene Zeit benei-
den müssen. Doch es ist ja nicht immer Rokoko.

In unserer Zeit, wo alles sich durchein-
ander kreuzt, scheint noch einmal ein Spätling
des Rokokos gekommen zu sein, für den auch die-
ser Stoff sich eignet, wie kaum ein anderer. Paul
Scheurich ist schon lange kein Unbekannter
mehr. Man kennt seine prickelnde, witzige
Art, in der er zeichnet, modelliert, sowie auch
zu malen versteht und dabei alles mit dem
frischesten Leben erfüllt und mit einer fröh-
lichen Farbigkeit übergießt. Das „Russische
Ballett" war auf dem Gebiet des Porzellans
seine erste größere Schöpfung und zugleich
auch ein großer Wurf. Überraschend schnell
und schneller, als irgend ein anderer in unserer
Zeit, hat er sich in das Wesen des Materials
hineingelebt, und seine Kunst ging bei dem in
die Lehre, bei dem er für sie am meisten zu
lernen vermochte: bei Kändler. Und doch sind
seine Werke durchaus selbständige Leistungen
geblieben, da sie auf genauester Kenntnis der
Natur beruhen und ihrer vielen Einzelheiten,
zugleich auf einer reichen Einbildungskraft, die

XXVII. Miirz 1924. 5
 
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