ENA
ROTTEN-
B E R G.
»ZIER-
GLAS«
BEWUSSTE KUNST
Unbewußtes Schaffen" gilt als hohes Lob.
„Bewußtes Bilden" erscheint manchem
wie ein Tadel. Klärung hierüber vermag nur
die Besinnung zu bringen, wie weit Bewußtheit
in jedem Akt wirksam sein muß, der auf die
Bezeichnung „künstlerisch" Anspruch erheben
will. „Bewußtheit" in diesem weiten Sinne
scheidet demgemäß aus aller Verwendung zu
Lob und Tadel aus.
Wir denken hier an eine besondereBedeutung.
Wandern wir durch ein Museum, das Kunst-
werke aller Zeiten birgt, vom frühen Mittel-
alter z. B. angefangen, über die Renaissance-
und Barockzeit zum 19. und zu unserem Jahr-
hundert. Da verweilen wir beglückt vor der
andächtigen oder frohen Kunst des Mittelalters,
wo der Mensch sich so ganz hineingießt in
sein Schaffen, wo er zu Schmuck eines Geliebten
oder zu Verehrung eines Geheiligten all sein
Können „spielen" läßt, und sich selbst dann
wieder so ganz zurücknimmt aus dem Geschaffe-
nen, daß ein sehr reines Gebilde vor uns steht,
dessen Anonymität nicht nur durch geschichtliche
Unkenntnis bedingt ist. Ein Schritt weiter:
Renaissance. Wie anders grüßt uns diese Kunst-
welt. Zuerst scheint es uns, als sei jene schöne
Unmittelbarkeit, die uns vor den Werken des
Mittelalters beglückte, verloren. Wir spüren:
irgend etwas ist eingebrochen in das Reich der
Kunst, das bis in unsere Tage nicht mehr da-
raus entwichen ist. Ein Begrenzendes, Distan-
zierendes, etwas, das uns manchesmal wie spröde
Selbstgerechtigkeit anmuten möchte. Wie be-
zeichnen wir es nur? „Bewußtheit" •— Das
Wort drängt sich uns auf. Und unsere Über-
legung muß es in dieser Bedeutung nun fest-
halten: Bewußtheit schafft nun im Kunstwerk
ganz anders wie früher. Das Gebilde reckt sich
auf aus seiner Anonymität. Und wieder spüren
wir, es ist nicht nur genauere Überlieferung der
Geschichte, daß wir die Namen der Künstler
von nun an in der Regel wissen. Diese Werke
halten ihren Künstler fest. Oder umgekehrt:
Diese Künstler seit der Renaissance geben ihre
Werke nicht mehr so restlos her wie die Alt-
vordern. Sie erheben dauernden Anspruch auf
sie. Sie konnten sich nicht mehr in dem Maße
wie die Früheren daraus zurücknehmen. Ihre
ROTTEN-
B E R G.
»ZIER-
GLAS«
BEWUSSTE KUNST
Unbewußtes Schaffen" gilt als hohes Lob.
„Bewußtes Bilden" erscheint manchem
wie ein Tadel. Klärung hierüber vermag nur
die Besinnung zu bringen, wie weit Bewußtheit
in jedem Akt wirksam sein muß, der auf die
Bezeichnung „künstlerisch" Anspruch erheben
will. „Bewußtheit" in diesem weiten Sinne
scheidet demgemäß aus aller Verwendung zu
Lob und Tadel aus.
Wir denken hier an eine besondereBedeutung.
Wandern wir durch ein Museum, das Kunst-
werke aller Zeiten birgt, vom frühen Mittel-
alter z. B. angefangen, über die Renaissance-
und Barockzeit zum 19. und zu unserem Jahr-
hundert. Da verweilen wir beglückt vor der
andächtigen oder frohen Kunst des Mittelalters,
wo der Mensch sich so ganz hineingießt in
sein Schaffen, wo er zu Schmuck eines Geliebten
oder zu Verehrung eines Geheiligten all sein
Können „spielen" läßt, und sich selbst dann
wieder so ganz zurücknimmt aus dem Geschaffe-
nen, daß ein sehr reines Gebilde vor uns steht,
dessen Anonymität nicht nur durch geschichtliche
Unkenntnis bedingt ist. Ein Schritt weiter:
Renaissance. Wie anders grüßt uns diese Kunst-
welt. Zuerst scheint es uns, als sei jene schöne
Unmittelbarkeit, die uns vor den Werken des
Mittelalters beglückte, verloren. Wir spüren:
irgend etwas ist eingebrochen in das Reich der
Kunst, das bis in unsere Tage nicht mehr da-
raus entwichen ist. Ein Begrenzendes, Distan-
zierendes, etwas, das uns manchesmal wie spröde
Selbstgerechtigkeit anmuten möchte. Wie be-
zeichnen wir es nur? „Bewußtheit" •— Das
Wort drängt sich uns auf. Und unsere Über-
legung muß es in dieser Bedeutung nun fest-
halten: Bewußtheit schafft nun im Kunstwerk
ganz anders wie früher. Das Gebilde reckt sich
auf aus seiner Anonymität. Und wieder spüren
wir, es ist nicht nur genauere Überlieferung der
Geschichte, daß wir die Namen der Künstler
von nun an in der Regel wissen. Diese Werke
halten ihren Künstler fest. Oder umgekehrt:
Diese Künstler seit der Renaissance geben ihre
Werke nicht mehr so restlos her wie die Alt-
vordern. Sie erheben dauernden Anspruch auf
sie. Sie konnten sich nicht mehr in dem Maße
wie die Früheren daraus zurücknehmen. Ihre