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Dörpfeld, Wilhelm [Hrsg.]
Troja und Ilion: Ergebnisse der Ausgrabungen in den vorhistorischen und historischen Schichten von Ilion 1870 - 1894 (Band 2) — Athen, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.1115#0139
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Geschichte von Troja und I

IX. ABSCHNITT.
GESCHICHTE VON TROJA UND IL.ION.

I—VI. Die troische Königsburg und ihre Vorgeschichte.

Nach den voraufgegangenen Einzelbetrachtungen soll im Folgenden kurz die
Summe dessen gezogen «■erden, was dreissigj ährige Arbeit an den Ruinen für
die Geschichte des Platzes ergeben hat.

Von dem Wunsche beseelt, die Burg des Priamos, Homers Troja zu finden,
ist Heinrich Schliemann nach Hissarlik gezogen. Dem Anstoss, den der Enthusiast
gegeben, hat die nüchterne Forschung folgen müssen. Die früheren Bedenken,
dass Ilion nicht an dieser Stelle gelegen, ja dass es nur in der Phantasie des
Dichters bestanden habe, sind zerstreut. Wir haben die alte Königsburg vor uns
und müssen mit der Thatsache eines trojanischen Krieges rechnen.

Aber es sind nicht nur die Grundmauern der Pergamos aufgefunden wor-
den, sondern auch auf derselben Stelle bedeutsame Reste von Niederlassungen,
zeitlich vor ihr und nach ihr, so dass wir von der homerischen Glanzzeit aus
in ein höheres Altertum zurückschauen, und der Blick sich bis in eine unmessbar
dünkende Ferne verliert. Sind wir auch noch nicht soweit, dass die Geschichte
des Platzes von der Urzeit an erschöpfend aufgeschlossen wäre, so ist doch das
Problem der Vorgeschichte klar geworden, und zugleich durch die troischen Funde
ein Maasstab geliefert, an dem alle urtümlichen Denkmäler in der Nahe und in
der Ferne zu messen und zu vergleichen sind.

Zuerst in Zeiten neolithischer Cultur hat sich eine kleine Schar die Kuppe
zur Wohnstätte ausersehen, hat auf der Höhe eine Ringmauer gebaut, hinter der
ihre ärmlichen Hütten aus kleinen, in die schwächlichen Mauern sich einfügenden
Steinen aufgeschichtet sind. Die Bewohner nährten sich von dem Fleisch ihrer
Herden, von dem Korn ihrer Felder, von den Muscheln, die sie am Strande auf-
lasen, und von den Fischen, die sie im nahen Meere fingen. Ihre Werkzeuge und
Geräte bereiteten sie sich selbst, hartes Gestein wurde in langwieriger Arbeit zu
Hämmern und Äxten hergerichtet, schweres Thongeschirr mit der Hand geformt
und an offener Flamme gebrannt.

Eine ganz andere Energie zeigt die nächste ihrem Plane nach erkennbare
Ansiedelung, die II. Schicht. Die Höhe ist geformt worden. Eine Burg ragt über
ihrer Kuppe auf. Die Burgmauer, deren rohe Blöcke ein sorgfältig ausgeglichenes
Plateau zusammenhalten, schützt durch ihren schrägen Abfall, durch eine dar-
 
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