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36

DRITTER GESANG

3. Mahl. Als aber das Verlangen nach Speise und Trank gestillt
war, begann der ritterliche Nestor: „Die Fremden haben sich
70 jetzt erquickt, und es ist schicklich, sie nach ihrer Herkunft
zu fragen. Ihr fremden Gäste, wer seid ihr? Von wo kommt
ihr über das Meer? Habt ihr irgend ein Gewerbe, oder irrt ihr
ohne ein bestimmtes Ziel über die See, wie räuberische Leute,
die umherfahren, ihr Leben aufs Spiel setzen und andern Un-
heil bringen?“
Der kluge Telemach faßte sich ein Herz. Athena selbst
flößte ihm Mut ein, damit er sich nach dern abwesenden Vater
erkundigen sollte. „Nestor, Neleus Sohn,“ so begann er, „hoher
so Stolz der Achäer! Du fragst, woher wir stammen. Ich will es
dir sagen. Wir kommen aus Jthaka, das am Fuß des Neion
liegt. In eigner Sache komme ich, nicht in der des Volkes. Nach
meinem weitberühmten Vater forsche ich; vielleicht, daß ich
von ihm höre, vom edlen Dulder Odysseus, der einst im Bunde
mit dir gekämpft und die Stadt der Troer zerstört hat. Von
allen andern, die mit den Troern stritten, haben wir Kunde und
wissen, wo jeder dem schmählichen Verderben erlag. Nur sei-
nen Tod hat Kronion in unerforschliches Dunkel gehüllt. Denn
90 keiner vermag genau zu sagen, wo er umkam, ob er auf dem
Lande von feindlichen Männern erschlagen wurde, oder ob er
auf dem Meere zugrunde ging in den Wogen der Amphitrite.
Deshalb komme ich zu deinen Knien und bitte dich: Erzähle
von seinem traurigen Tode, falls du ihn mit eigenen Augen er-
lebt oder von einem andern Kunde darüber erhalten. Und be-
schönige nichts aus Rücksicht auf mich und aus Mitleid, son-
dern berichte so, wie du es sahst. Ich flehe dich an. Wenn dir
ioo mein edler Vater Odysseus im Lande der Troer, wo ihr Achäer
Leiden erduldet, jemals in Wort oder Tat ein Versprechen ge-
geben und erfüllt hat, so erinnere dich jetzt daran und sage
die lautere Wahrheit.“
 
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