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NEUNTER GESANG
17.und auf mein Lager legen; es ist mir zum Schmerzenslager
geworden und wird immer von meinen Tränen benetzt, seit-
dem Odysseus mit den Atriden nach Jlios fortfuhr. Du hast
dich ja nicht entschließen können, noch vor dem Erscheinen
der hochmütigen Freier zu erzählen, ob du sichere Kunde von
der Rückkehr des Vaters erhalten.“
Der kluge Telemach erwiderte ihr: „Liebe Mutter, ich
werde dir also die lautere Wahrheit berichten. Wir sind
nach Pylos und zu Nestor gefahren, dem Führer der Mannen.
110 Er hat mich aufgenommen und in seinem hohen Hause so
liebevoll bewirtet, wie ein Vater den Sohn, der nach langem
Fernsein soeben aus der Fremde zurückkehrt. Solch innige
Gastfreundschaft habe ich bei ihm und seinen ruhmreichen
Söhnen gefunden. Doch hatte er, wie er sagte, von keinem
Sterblichen erfahren, ob der Dulder Odysseus lebe oder tot
sei. Er sandte mich aber mit seinen Rossen und einem fest-
gefügten Wagen zum Atriden, dem speerberühmten Mene-
laos. Dort sah ich die Argiverin Helena, um deretwillen die
Argiver und Troer nach dem Ratschluß der Götter viele Lei-
120 den erduldet. Der tapfere Menelaos fragte sogleich, welches
Begehren nach Lakedämon mich führe; und ich erzählte ihm
die volle Wahrheit. Da antwortete mir der Held: »Schänd-
lich! Auf dem Lager des gewaltigen Mannes möchten sie
ruhen, die Feiglinge. Aber wie eine Hirschkuh die neugebor-
nen, saugenden Jungen im Dickicht birgt, wo der starke Löwe
sein Lager hat, und darauf die Täler und die grasreichen
Schluchten äsend durchstreift, und wie der Löwe dann zu
130 seinem Lager zurückkehrt und beiden Teilen ein schlimmes
Ende bereitet, so wird Odysseus jene vernichten. Vater Zeus,
Athena und Apollon! Wenn er doch so gewaltig wäre, wie
einst, als er sich im schöngebauten Lesbos erhob, mit Philo-
meleides um die Wette rang und ihn so kräftig zu Boden
NEUNTER GESANG
17.und auf mein Lager legen; es ist mir zum Schmerzenslager
geworden und wird immer von meinen Tränen benetzt, seit-
dem Odysseus mit den Atriden nach Jlios fortfuhr. Du hast
dich ja nicht entschließen können, noch vor dem Erscheinen
der hochmütigen Freier zu erzählen, ob du sichere Kunde von
der Rückkehr des Vaters erhalten.“
Der kluge Telemach erwiderte ihr: „Liebe Mutter, ich
werde dir also die lautere Wahrheit berichten. Wir sind
nach Pylos und zu Nestor gefahren, dem Führer der Mannen.
110 Er hat mich aufgenommen und in seinem hohen Hause so
liebevoll bewirtet, wie ein Vater den Sohn, der nach langem
Fernsein soeben aus der Fremde zurückkehrt. Solch innige
Gastfreundschaft habe ich bei ihm und seinen ruhmreichen
Söhnen gefunden. Doch hatte er, wie er sagte, von keinem
Sterblichen erfahren, ob der Dulder Odysseus lebe oder tot
sei. Er sandte mich aber mit seinen Rossen und einem fest-
gefügten Wagen zum Atriden, dem speerberühmten Mene-
laos. Dort sah ich die Argiverin Helena, um deretwillen die
Argiver und Troer nach dem Ratschluß der Götter viele Lei-
120 den erduldet. Der tapfere Menelaos fragte sogleich, welches
Begehren nach Lakedämon mich führe; und ich erzählte ihm
die volle Wahrheit. Da antwortete mir der Held: »Schänd-
lich! Auf dem Lager des gewaltigen Mannes möchten sie
ruhen, die Feiglinge. Aber wie eine Hirschkuh die neugebor-
nen, saugenden Jungen im Dickicht birgt, wo der starke Löwe
sein Lager hat, und darauf die Täler und die grasreichen
Schluchten äsend durchstreift, und wie der Löwe dann zu
130 seinem Lager zurückkehrt und beiden Teilen ein schlimmes
Ende bereitet, so wird Odysseus jene vernichten. Vater Zeus,
Athena und Apollon! Wenn er doch so gewaltig wäre, wie
einst, als er sich im schöngebauten Lesbos erhob, mit Philo-
meleides um die Wette rang und ihn so kräftig zu Boden