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Dorotheum <Wien> / Kunstabteilung [Hrsg.]
Sammlung † Friedrich Otto Edler von Leber (1803 - 1846): erstklassige Rüstungen, Helme und Waffen des 15. bis 17. Jahrh. ; ausgezeichnete gotische Glasgemälde und Wappenscheiben ; Standesscheibe von Uri von Daniel Lindtmayer 1587 ; Georgsstatue, Wien 1334 ; Antiquitäten, deutsches Steinzeug, Fayencen, Zinn, Gläser, alte Musikinstrumente ; Versteigerung: 9. und 10. November 1925 (Katalog Nr. 364,1) — Wien, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.23257#0040
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SKULPTUREN

189 Holzstatue des heiligen Georg als Drachentöter. Der jugendliche,
ritterlich gewandete Heilige tritt mit dem vorgestellten rechten Fuß auf
den geflügelten Rüdcen des Drachens, mit dem linken steht er auf dem
Ende des verknoteten kurzen Schwanzes des Untiers, das den in Form
einer gotischen Teufelsfratze gebildeten Kopf gerade emporstreckt. Georg
trägt über einem bis zu den Knien reichenden Leibrock, ein etwas kürzeres
Panzerhemd, darüber eine Brigantine (Brünne), die aus rechteckigen, mit
runden Knöpfen angenieteten Eisenplatten besteht, und darüber noch einen
ärmellosen Waffenrock, der, an den beiden Seiten hochgeschlitzt, in der
Höhe des Magens vorne zu einem gürtelartigen Wulst eingerollt ist.
An einem an der rechten Brust der Brigantine angenieteten Bande (Kette)
hängt der Dolch mit großem Griff, Das im Nacken abgeschnittene Haar
fällt in S-Wellen zu beiden Seiten des Gesichtes herab, über der Stirn
ist es mit einer Locke zurückgestrichen. Die intakte rechte, ursprünglich
den Speer haltende Fland ist hoch erhoben, während der linke, spitz®
winklig abgebogene Arm gerade nach vorne gestreckt war. Der jetzige
linke Unterarm ist eine spätere (aber nicht moderne) Ergänzung.

Ausgezeichnete Wiener Arbeit vom Jahre 1334. Auf der
Unterseite der Basis der Vermerk Lebers: Gekauft Dez. 1840 Nfcrn*)
verfertigt 1347 — 56. Die Datierung Lebers beruht wahrscheinlich auf waffen®
geschichtlicher Grundlage (1347 Todesjahr Königs Ludwig des Bayern,
Grabstein in Mainz, vgl. Leber, Zeughaus, S. 504). Stilistisch könnte man
geneigt sein, die prächtige Skulptur als mittelrheinisch, um 1350 zu datieren.
Einem freundlichen Hinweise des Herrn Dr. Franz Kieslinger verdanken
wir jedoch die zweifellos richtige Bestimmung auf Wien, um 1334. Unser
Georg ist nämlich von derselben Hand wie die Statuette eines
Diakons und vier andere Holzfiguren bzw. Gruppen, die aus dem Wiener
Stephansdom stammen und jetzt im Museum der Stadt Wien aufbewahrt
werden. Sie stellen außer dem Diakon (wohl Laurentius) einen Bischof,
einen sitzenden Apostel, zwei begrüßende Knaben vom Einzug in Jerusalem
und die schlafenden Jünger vom Ölberge dar und zeigen dasselbe Material,
dieselben Stilformen und genau die gleiche Art der Fassung wie der
Georg, der auch in der Flöhe vollkommen mit dem Diakon übereinstimmt.
Diese Figuren stammen, wie Kieslinger feststellte, von dem Fronleich®
namsaltar im Chor des Wiener St. Stephansdomes, der
»nebst dem Hochaltar« auf der herzoglichen Gruft stand. Nach Ogesser,
Beschreibung der Metropolitankirche zu St, Stephan in Wien, 1779, S. 111,
der bei einem Wiener Bürger diesen Altar auf einer Tafel von 1543
abgebildet sah, bestand er urkundlich nachweisbar schon 1343**), war drei

®> <D. h. nach Lebers Schlüssel [Feil, 1. c. 281] 5 fl. Conv. Münze.)

**> Wohl Druckfehler für 1334, siehe oben.

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