Neu-Isenburg
Erläuterung zu Karte 9 (M 1:50000)
Stadt Neu-Isenburg
Für die sprunghafte Entwicklung der
jungen Gründung Neu-Isenburg zur
heute größten Einzelgemeinde des
Kreises war wohl die zentrale Lage un-
mittelbar südlich von Frankfurt aus-
schlaggebend. Von der Idealplan-Sied-
lung von 1699 ist fast keine Original-
substanz erhalten, dafür aber der
Straßengrundriß, der in der Haas’schen
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Neu-Isenburg
Karte eigentümlicherweise - entgegen
einer sonstigen Idealisierungstendenz -
unvollständig wiedergegeben ist.
Zu Neu-Isenburg gehören außerdem die
Ortsteile Gravenbruch, eingemeindet
1957, mit dem dortigen ehemaligen
Hofgut und, weit im Westen, seit 1977
das 1936 entstandene Zeppelinheim.
Neu-Isenburg
Das Gebiet, auf dem 1699 Neu-Isenburg gegründet wurde, gehörte schon
seit dem 15. Jahrhundert zu dem aus dem Falkenstein-Münzenbergischen
Erbe zur Grafschaft Isenburg-Büdingen übergegangenen Territorium des
früheren Gebietes Hain im Wildbann Dreieich. Seit 1556 residierte Isen-
burg in Offenbach. Kurz vor 1700 bot der sich zum reformierten Glauben
bekennende Johann Philipp von Isenburg einer Gruppe waldensischer
Glaubensflüchtlinge Land zur Ansiedlung sowie gewisse Privilegien an,
um unbebaute Gebiete zu kultivieren. Es waren jedoch etwa 30 Familien
aus Frankreich vertriebener, calvinistischer Hugenotten, die sich aufgrund
eines bewußt herbeigeführten Irrtums auf dem ihnen zugewiesenen Ge-
lände „am Kalbskopf‘ südlich des Frankfurter Stadtwaldes niederließen.
Im Idealplan des isenburgischen Hofmeisters Andreas Loeber waren auf
quadratischer Grundfläche 78 Hausplätze mit zugehörigem Ackerland
festgelegt. Die ärmlichen Häuser wurden oft schon nach wenigen Jahren
baufällig; auch das 1702 durch die gräfliche Herrschaft errichtete Rathaus
mußte 1876 wegen der Bauschäden abgebrochen werden. Eines der
wenigen erhaltenen Gebäude der Gründungszeit ist das vor 1710 errichtete
Schulhaus in der Pfarrgasse. Der ersten bescheidenen Holzkirche folgte
erst 1775 ein Steinbau. Der unergiebige Boden, Einschränkungen der
Weiderechte und Anfeindungen aus den Nachbargemeinden zwangen in
der Anfangszeit zahlreiche hugenottische Familien, die im Gegensatz zu
den bäuerlichen Waldensern aus bürgerlichen Schichten stammten, zum
Weggang. Ab 1720 wurde deutschen Zuwanderern die Übernahme der ver-
lassenen Anwesen gestattet, jedoch entwickelte sich der Ort bis 1820
kaum, und es gab Konflikte zwischen den verschiedenen religiösen und
sprachlichen Gruppen. 1781 wurde die erste deutsch-lutherische Schule
an der neu angelegten Frankfurter Straße errichtet, 1830 die deutsche
Sprache offiziell eingeführt. Seit 1816 gehörte Neu-Isenburg zum Groß-
herzogtum Hessen; 1828 wurde an der Straße zur Messestadt Frankfurt ein
Hauptzollamt des dem preußischen Zollverein angehörenden Staates ein-
gerichtet, das aber mit dem Beitritt Frankfurts zum Deutschen Zollverein
1836 seine Berechtigung verlor.
Schon die ersten Siedler waren neben dem Ackerbau auf handwerkliche
Heimarbeit angewiesen, unter anderem Strumpfwirkerei und Filzherstel-
lung. Nach der Einführung maschineller Techniken um die Mitte des 19.
Jahrhunderts verlagerte man sich auf Dienstleistungen für das benachbarte
Frankfurt; um 1900 gab es fast 100 Wäschereien. Bereits vor 1800 etab-
lierte sich die Möbel- und Lederwarenherstellung, ab 1860 die Produktion
von Frankfurter Würstchen. 1852 wurde eine Haltestelle der Main-
Neckar-Bahn eingerichtet, um die Jahrhundertwende eine Stichbahn in
das Industriegebiet. 1889 stellte die Dampfstraßenbahn der Waldbahn die
Verbindung an das Frankfurter Verkehrsnetz her, ab 1929 eine elektrische
Bahn.
Die sich anfangs nur zögernd entwickelnde Siedlung erfuhr im 19. Jahr-
hundert einen sprunghaften Anstieg der Bevölkerung von etwa 1500 Ein-
wohnern um 1830 auf über 8 000 um die Jahrhundertwende. Neu-Isenburg
wurde vor Langen zur größten Gemeinde des Kreises; 1894 verlieh Groß-
herzog Ernst Ludwig die Stadtrechte. Die verkehrsgünstige großstadtnahe
Lage führte zu einer Verdreifachung der Einwohnerzahl von 12000 nach
dem zweiten Weltkrieg auf heute über 35 000. Dazu trug die Eingemein-
dung von Gravenbruch 1957 und Zeppelinheim 1977 bei. Zu dem seit
1586 bestehenden Hofgut Gravenbruch gehört eine Wohnstadt aus den
60er Jahren. Zeppelinheim war 1936 für Mitarbeiter der Deutschen Luft-
schiff-Reederei entstanden und seit 1937 selbständige Gemeinde.
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Erläuterung zu Karte 9 (M 1:50000)
Stadt Neu-Isenburg
Für die sprunghafte Entwicklung der
jungen Gründung Neu-Isenburg zur
heute größten Einzelgemeinde des
Kreises war wohl die zentrale Lage un-
mittelbar südlich von Frankfurt aus-
schlaggebend. Von der Idealplan-Sied-
lung von 1699 ist fast keine Original-
substanz erhalten, dafür aber der
Straßengrundriß, der in der Haas’schen
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Neu-Isenburg
Karte eigentümlicherweise - entgegen
einer sonstigen Idealisierungstendenz -
unvollständig wiedergegeben ist.
Zu Neu-Isenburg gehören außerdem die
Ortsteile Gravenbruch, eingemeindet
1957, mit dem dortigen ehemaligen
Hofgut und, weit im Westen, seit 1977
das 1936 entstandene Zeppelinheim.
Neu-Isenburg
Das Gebiet, auf dem 1699 Neu-Isenburg gegründet wurde, gehörte schon
seit dem 15. Jahrhundert zu dem aus dem Falkenstein-Münzenbergischen
Erbe zur Grafschaft Isenburg-Büdingen übergegangenen Territorium des
früheren Gebietes Hain im Wildbann Dreieich. Seit 1556 residierte Isen-
burg in Offenbach. Kurz vor 1700 bot der sich zum reformierten Glauben
bekennende Johann Philipp von Isenburg einer Gruppe waldensischer
Glaubensflüchtlinge Land zur Ansiedlung sowie gewisse Privilegien an,
um unbebaute Gebiete zu kultivieren. Es waren jedoch etwa 30 Familien
aus Frankreich vertriebener, calvinistischer Hugenotten, die sich aufgrund
eines bewußt herbeigeführten Irrtums auf dem ihnen zugewiesenen Ge-
lände „am Kalbskopf‘ südlich des Frankfurter Stadtwaldes niederließen.
Im Idealplan des isenburgischen Hofmeisters Andreas Loeber waren auf
quadratischer Grundfläche 78 Hausplätze mit zugehörigem Ackerland
festgelegt. Die ärmlichen Häuser wurden oft schon nach wenigen Jahren
baufällig; auch das 1702 durch die gräfliche Herrschaft errichtete Rathaus
mußte 1876 wegen der Bauschäden abgebrochen werden. Eines der
wenigen erhaltenen Gebäude der Gründungszeit ist das vor 1710 errichtete
Schulhaus in der Pfarrgasse. Der ersten bescheidenen Holzkirche folgte
erst 1775 ein Steinbau. Der unergiebige Boden, Einschränkungen der
Weiderechte und Anfeindungen aus den Nachbargemeinden zwangen in
der Anfangszeit zahlreiche hugenottische Familien, die im Gegensatz zu
den bäuerlichen Waldensern aus bürgerlichen Schichten stammten, zum
Weggang. Ab 1720 wurde deutschen Zuwanderern die Übernahme der ver-
lassenen Anwesen gestattet, jedoch entwickelte sich der Ort bis 1820
kaum, und es gab Konflikte zwischen den verschiedenen religiösen und
sprachlichen Gruppen. 1781 wurde die erste deutsch-lutherische Schule
an der neu angelegten Frankfurter Straße errichtet, 1830 die deutsche
Sprache offiziell eingeführt. Seit 1816 gehörte Neu-Isenburg zum Groß-
herzogtum Hessen; 1828 wurde an der Straße zur Messestadt Frankfurt ein
Hauptzollamt des dem preußischen Zollverein angehörenden Staates ein-
gerichtet, das aber mit dem Beitritt Frankfurts zum Deutschen Zollverein
1836 seine Berechtigung verlor.
Schon die ersten Siedler waren neben dem Ackerbau auf handwerkliche
Heimarbeit angewiesen, unter anderem Strumpfwirkerei und Filzherstel-
lung. Nach der Einführung maschineller Techniken um die Mitte des 19.
Jahrhunderts verlagerte man sich auf Dienstleistungen für das benachbarte
Frankfurt; um 1900 gab es fast 100 Wäschereien. Bereits vor 1800 etab-
lierte sich die Möbel- und Lederwarenherstellung, ab 1860 die Produktion
von Frankfurter Würstchen. 1852 wurde eine Haltestelle der Main-
Neckar-Bahn eingerichtet, um die Jahrhundertwende eine Stichbahn in
das Industriegebiet. 1889 stellte die Dampfstraßenbahn der Waldbahn die
Verbindung an das Frankfurter Verkehrsnetz her, ab 1929 eine elektrische
Bahn.
Die sich anfangs nur zögernd entwickelnde Siedlung erfuhr im 19. Jahr-
hundert einen sprunghaften Anstieg der Bevölkerung von etwa 1500 Ein-
wohnern um 1830 auf über 8 000 um die Jahrhundertwende. Neu-Isenburg
wurde vor Langen zur größten Gemeinde des Kreises; 1894 verlieh Groß-
herzog Ernst Ludwig die Stadtrechte. Die verkehrsgünstige großstadtnahe
Lage führte zu einer Verdreifachung der Einwohnerzahl von 12000 nach
dem zweiten Weltkrieg auf heute über 35 000. Dazu trug die Eingemein-
dung von Gravenbruch 1957 und Zeppelinheim 1977 bei. Zu dem seit
1586 bestehenden Hofgut Gravenbruch gehört eine Wohnstadt aus den
60er Jahren. Zeppelinheim war 1936 für Mitarbeiter der Deutschen Luft-
schiff-Reederei entstanden und seit 1937 selbständige Gemeinde.
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