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dieser Zeit aufblühende Wirtschaft beruhte nicht nur auf dem Salzhandel, sondern ins-
gesamt einer regen Handelstätigkeit, die außer nach Skandinavien und ins Ostseegebiet
bis nach Russland, im Westen bis Burgund reichte und sich auch nach Süden aus-
dehnte. Einen Reflex dieses Aufschwungs stellt auch die sich in der 2. Hälfte des 15.Jh.
rege entwickelnde Bautätigkeit dar, die sich nicht nur im öffentlichen Raum (Rathaus:
Fürstensaal, Kämmereigebäude, Körkammer, Altes Archiv), sondern auch in zahlreichen
Bürgerhäusern entfaltete.
Einschneidende Veränderungen traten mit der Reformation ein, der sich der Rat nach
anfänglicher scharfer Ablehnung schließlich aufgrund der Forderung der schnell zuneh-
menden evangelischen Partei fügte, sodass der Erlass der Kirchen- und Schulordnung
des Reformators Urbanus Rhegius in Lüneburg 1531 und 1532/33 durchgesetzt wer-
den konnte. In der Folge löste man die Klöster innerhalb der Stadt auf; allein der Micha-
eliskonvent wurde zu einem evangelischen Männerkloster umgewandelt. Bereits im
Zuge der Reformation traten zwischen Lüneburg und Herzog Ernst dem Bekenner
(1521-1546) wegen der Huldigung, vor allem aber wegen des Anspruchs auf die Vermö-
gen der Klöster und anderer finanzieller Forderungen erhebliche Spannungen auf.
Erstmals musste die Stadt in einem Vertrag vom 19. März 1562 mit den Herzögen Hein-
rich und Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg, in dem sie den Kalkberg erwarb, erheb-
liche Einschränkungen in ihren Privilegien hinnehmen. Trotz des finanziellen Aufwandes
von 85.000 Talern wurde in den folgenden Jahren mit der Schaffung der Großen Rats-
stube ein aufwändiges und künstlerisch anspruchsvolles Projekt in selbstbewusster Atti-
tüde realisiert, von der auch der Bau der Ratsapotheke 1598 als ein Höhepunkt re-
naissancezeitlicher Architektur in Lüneburg zeugt. Die Einschränkung der städtischen
Privilegien hatte ihren Fortgang genommen, indem 1569 die bis dahin teilweise von
Lüneburg kontrollierte Elbschifffahrt durch kaiserliches Mandat freigegeben wurde. Mit
dem Vertrag vom 24. Juli 1576 über die erbliche Überlassung der Vogtei sowie über die
Grenze der Landwehr ging Lüneburg zugunsten der Ausdehnung seiner Gerichtsbarkeit
eine weitere hohe finanzielle Verpflichtung ein. Ab Ende des 16.Jh. lag die starke Ver-
schuldung der Stadt, bedingt durch die genannten Verträge und die Konkurrenz im Salz-
handel sowie die Abgeltung eines 1616 eingeführten Salzzolls, offen zutage und führte
zu Unruhen innerhalb der Bürgerschaft. Unter der Führung des Patriziersohns Franz
Töbing wendete sich die gegen den Rat gerichtete Bürgerschaft mit einer schriftlichen
Beschwerde über die ordnungswidrige Finanzverwaltung an Herzog Christian von
Braunschweig-Lüneburg, der den Rat am 13. März 1619 verpflichtete, künftig fünf Bür-
ger aufzunehmen und vor einem Ausschuss von sechs Personen jährlich Rechnung zu
legen. Mit dem Einzug von Vertretern der Brauer und Kagelbrüder (Heringskaufleute) in
den Rat war die patrizische Ratsverfassung damit offiziell aufgehoben.
Lüneburg, das zwischen 1624 und1627 immer wieder unter Pestepidemien litt, war ab
1623 in den Dreißigjährigen Krieg involviert. Besonders betroffen war der ohnehin ange-
griffene Salinbetrieb infolge einer Handelssperre, einer zeitweiligen Betriebseinstellung
und aufgrund von Brennholzmangel, Belastungen, die sich in einer zunehmenden Verar-
mung der Stadt niederschlugen. Lüneburgs Bemühen um Neutralität zeitigte keinen
Erfolg, sodass die Stadt schließlich 1636 von den Schweden zur Kapitulation gezwun-
gen und der Kalkberg durch schwedische Truppen besetzt wurde. Die Besatzung durch
die Schweden endete 1637 mit dem Einzug Herzog Georgs von Braunschweig-Lüne-
burg. Er zwang Lüneburg 1639 eine neue Stadtverfassung auf, die dem Herzog unbe-
schränkte Oberaufsicht in geistlichen, finanziellen und administrativen Angelegenheiten
verlieh und in der außer Patriziern, Brauern und Kagelbrüdern die Gilden und Zünfte als
gleichberechtigt ratsfähig anerkannt wurden. Seine Präsenz unterstrich der Landesherr,
der nun auch die städtischen Finanzen durch einen ihm verpflichteten Ratsausschuss
überwachte, durch den Bau einer Festung auf dem Kalkberg mit einer ständigen Gar-
nison. Die Selbstständigkeit Lüneburgs und seine Vorrangstellung im Herzogtum waren
damit endgültig verloren.
Lüneburg als welfische Erb- und Landstadt (1639-1813)
Die Abhängigkeit der Stadt von der herzoglichen Landesherrschaft schlug sich in einer
Reihe von Reglementierungen nieder. So sollte z.B. ein 1659 etabliertes Salzkontor, das
zentral den auswärtigen Salzhandel und die Beschaffung von Brennmaterial organisierte,
den angeschlagenen Salinbetrieb wieder stärken. Weitere Neuordnungen betrafen das
Finanzwesen Lüneburgs (1682), die Saline (1686), das Obergericht und das Wohlfahrts-
wesen (1687) sowie die Gerichtsbarkeit innerhalb der Landwehr (1699). Bereits 1656
war das evangelische Männerstift St. Michael auf herzogliche Anordnung in eine Ritter-
akademie zur Ausbildung des heimischen Adels umgewandelt worden.
Mit dem Bau des herzoglichen Hauses Am Markt ab 1695, das als Witwensitz dienen
sollte, setzte der Landesherr inmitten der Stadt ein deutliches Merkzeichen seiner Prä-

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