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Problematik dieses Vorgehens. Sowohl verein-
zelte Untersuchungen der vergangenen Jahr-
zehnte als auch die seit der Institutionalisierung
der Lüneburger Stadtarchäologie im August
1991 durchgeführten Grabungen konnten bis-
lang Siedlungsbereiche des 13.Jh. nur in An-
sätzen freilegen. Eine systematische Auswer-
tung der ab 1426 nahezu vollständig und davor
fragmentarisch vorliegenden Schossrollen, die
Aufschlüsse über die damalige Grundstücksto-
pografie geben und möglicherweise Rück-
schlüsse auf ältere Zustände erlauben könnte,
ist bisher nicht erfolgt. Aussagen zu Alter,
Ausdehnung, Struktur und Zusammenwachsen
der Siedlungskerne sind gegenwärtig deshalb
nur anhand schriftlicher Quellen und punktueller
archäologischer Funde zu treffen.
Als präurbane Siedlungskerne der Stadt Lüne-
burg werden in siedlungsgeografischen Studien
der Kalkberg mit Burg und Suburbium (mons),
die Saline (fons) und eine Modestorpe genann-
te Siedlung an einem Übergang der Ilmenau
(pons) genannt. Eine weitere Keimzelle des
städtischen Gefüges lag vermutlich im Bereich
des Binnenhafens. Der Kalkberg mit Burg, dem
956 genannten Kloster St. Michael und einem
sicherlich zugehörigen Suburbium dürfte archäo-
logisch kaum noch zu erforschen sein, da nach

der Zerstörung der baulichen Anlagen auf dem
Kalkberg 1371 das Gelände über Jahrhunderte
als Steinbruch genutzt wurde. Die Siedlung am
Fuß des Kalkbergs, in der sich wohl der 956
genannte „mercatum“ befunden hat, wurde
unmittelbar nach 1371 überbaut, nachdem der
Rat und die Bürger von den Herzögen Wen-
zeslaus und Albrecht von Sachsen am 6. Ja-
nuar die Erlaubnis erhalten hatten, „tuschen der
borch und der stad affmuren der olden stad
und affgraven, wo vele en dat event, und dat
sulve afgesundirte nederbreken und woste
maken“ (Volger, UB Lg, Nr. 659). Eine Urkunde
vom November 1373 bestätigt, dass die
Niederlegung der Burgmannensiedlung im
Grimm westlich des Kalkbergs und des größten
Teils der „alten Stadt“ vollzogen worden war
(Volger, UB Lg, Nr. 815). Erneut wurde der öst-
liche Fuß des Kalkbergs und damit das mittelal-
terliche Siedlungsareal durch neuzeitliche Be-
festigungsanlagen stark überformt. Informa-
tionen zur frühen Besiedlung des Areals am Fuß
des Kalkbergs vermittelt die 1980 publizierte
Grabung, die Helmut Plath nördlich der St. Mi-
chaeliskirche 1978 durchführte. Seinen Ergeb-
nissen zufolge lag unter dem Neubauhorizont
der ab 1376 errichteten Kirche eine über einen
Meter mächtige Kulturschicht, die das Fundma-

terial in das 13./14.Jh. datiert. Zwei von Plath in
das 10,/II.Jh. datierte Wandungsscherben
sind die ältesten Fundstücke. Über eine Be-
siedlung des Terrains vom 8./9.Jh. bis zum
13.Jh. lassen sich daraus jedoch keine Aus-
sagen ableiten. Ähnliches gilt für eine Grabung
an der Rübekuhle am Schnittpunkt der Sied-
lungsbereiche Saline/Kalkberg, bei der 1992 als
älteste Besiedlungsspuren Funde und Befunde
des 13.Jh. in einer Tiefe von fast fünf Metern
freigelegt wurden.
Auch über Alter, Größe und Struktur des zwei-
ten präurbanen Siedlungskerns, des Areals der
zusammen mit dem Kloster St. Michael 956
erwähnten Saline, sind keine detaillierten Anga-
ben zu machen. Überformungen des 18.Jh.
sowie vor allem Überbauungen der jüngsten
Zeit lassen eine erkenntnisträchtige Erfor-
schung des Areals fraglich erscheinen. Die in
drei Kampagnen 1988, 1999 und 2000 durch-
geführte Grabung auf dem benachbarten
Terrain am Standort der 1861 abgebrochenen
Lambertikirche vermochte ein gesetztes Ziel,
die Ergrabung eines Vorgängerbaus, nicht zu
erfüllen. Dagegen konnte unterhalb eines
Brandhorizonts, der älter als die Kirche ist,
Keramik des 10. bis 12.Jh. geborgen werden,
die eine intensive Siedlungstätigkeit belegt.

Lüneburg, Ansicht nach Norden (Luftaufnahme H. Boldt, 2008)


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