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Am Markt, Südseite, Nr. 6-3


prächtigen Staffelgiebels, die Bekrönung mit
lateinischer Inschrift, ein Friedensengel sowie
einige Ausstattungsstücke, darunter eine
Wandtäfelung und ein Gobelin des 16.Jh., wer-
den heute museal präsentiert. Das zugehörige,
stark veränderte Eckgebäude an der Einmün-
dung zu „An der Münze“ (Nr. 15) wendet seine
1896 renovierte, inzwischen purifizierte und
2007 sanierte Fassade mit einem Neurenais-
sance-Giebel dem Markt zu und verweist
immerhin mit den beiden im Erdgeschoss
angebrachten Wappen der Glöde und Brömse
von 1560 auf die Besitzerfamilien der 2. Hälfte
des 16.Jh. Weiter östlich verleiht einer der
höchsten Staffelgiebel Lüneburgs der einzigen
Backsteinfassade dieser Reihe (Nr. 5) einen
herausragenden städtebaulichen Stellenwert
neben den verputzten Nachbargebäuden.
Am Markt 1. Hinter der barocken Marktfassade
erstreckt sich auf einem Terrain von nahezu
5.000 Quadratmetern der weitläufige Rathaus-
komplex als eine der ausgedehntesten Anlagen
dieser Art in Deutschland. Sowohl ihre über
500-jährige Baugeschichte als auch die in sel-
tener Geschlossenheit überkommene, bis ins
späte Mittelalter zurückreichende, kostbare
Ausstattung verleihen ihr einen höchst bedeu-
tenden kunst- und kulturhistorischen Rang und
sind von außerordentlichem wissenschaftlichen
Interesse. Die Gruppierung selbstständiger
Baukörper unterschiedlicher Traut- und Dach-
höhen, jeder für eine eigene Aufgabe errichtet,
spiegelt den sukzessiven Ausbau städtischer
Selbstverwaltung mit der Wahrnehmung vielfäl-
tiger und zunehmend differenzierter bürger-

schaftlicher Bedürfnisse und Aufgaben wider.
Den Kern der Anlage bilden die Ratsdörnse
(seit etwa 1700 als Gerichtslaube bezeichnet),
der sich Archiv sowie die so genannte Kör-
kammer anschließen, und das im Winkel dazu
gelegene Gewandhaus mit dem darüberliegen-
den Fürstensaal, das zum Markt hin giebelstän-
dig orientiert ist. Diese Räumlichkeiten werden
ebenso wie Huldigungs- und Traubensaal im
Norden über das Hauptportal am Ochsenmarkt
erschlossen. Auf dieser Seite folgen das neue
Rathaus mit der großen Ratsstube sowie ein
langgestreckter Flügel, der zu dem das Gelän-
de im Westen begrenzenden Kämmereiflügel
(Schreiberei) überleitet. Zugunsten einer Stra-
ßenerweiterung im Süden des Areals wurden zu
Beginn der 1860er Jahre u.a. an der Südwest-
ecke das Wohnhaus des Syndikus und ein wei-
teres für Ratsdiener sowie an der Südostecke
die Ratswaage abgebrochen. Durch den Abriss
mehrerer kleinerer Nebengebäude entstand der
heutige Rathausgarten, den eine Mauer zur
Waagestraße hin abgrenzt. Zu der bisher in vie-
len Details noch ungeklärten Geschichte der
Rathausbauten, der sich ein 2008 initiiertes
Forschungsprojekt widmet, konnten differenzie-
rende Einzelaussagen bereits im Rahmen der
seit 1999 laufenden Restaurierungsmaßnah-
men durch die in Teilbereichen erstellten Bau-
aufnahmen, Einzeluntersuchungen sowie die
dendrochronologische Bestimmung der Dach-
werkhölzer gewonnen werden.
Teile eines aus Gipsquadern errichteten Mauer-
werks an der Ostwand der 1898/99 zum Archiv
umgebauten Räumlichkeit veranlassten die
ältere Forschung, an dieser Stelle einen ersten

Rathausbau zu vermuten. Aufgrund des Bau-
materials in die 1. Hälfte des 13.Jh. datiert,
rekonstruierte man eine relativ kleine Halle, die
den 1239 erstmals urkundlich belegten „consu-
les“ zur Ausübung ihrer wohl noch bescheide-
nen Verwaltungsaufgaben gedient haben mag.
Als entwicklungsgeschichtlichen Kern der über-
lieferten Anlage sehen die jüngsten Bauunter-
suchungen das zweigeschossige, giebelstän-
dig zum Markt orientierte Gewandhaus. Seine
erste schriftliche Überlieferung im Jahr 1302,
die Regularien zu seiner Nutzung enthält, dürfte
bald nach seiner Fertigstellung erfolgt sein. Bei
der Einrichtung eines Weinkellers 1328 scheint
es sich entsprechend der verausgabten Sum-
me für Ziegelsteine um eine nachträgliche
Einwölbung eines zuvor flachgedeckten Kellers
unter dem Gewandhaus zu handeln. An seine
Nordwestecke schloss eine dem Heiligen Geist
geweihte Kapelle an, deren ursprüngliche Ab-
messung wegen späterer Veränderungen und
Erweiterungen in diesem Bereich nicht nach-
vollzogen werden kann. Angeblich 1247 ge-
gründet und 1254 durch den Beinamen eines
„Johannes de Sancto Spiritu“ nachgewiesen,
dürfte die Kapelle spätestens, nachdem sie
1297 mit bischöflicher Genehmigung im Rah-
men der Verlegung einer Vikarie von der St.
Johanniskirche einen vom Rat gestifteten Altar
erhalten hatte, als Ratskapelle genutzt worden
sein. Nach der Reformation verlor sie ihre Funk-
tion, wurde laut einer Nachricht von 1685 „zur
Halle aptiret“ und spätestens beim Bau von
Huldigungs- und Traubensaal zu Beginn des
18.Jh. beseitigt.
 
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