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Heitz, Paul [Hrsg.]; Ameisenowa, Zofia [Bearb.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 69): Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhundert in Polen: Holz- und Metallschnitte in den Bibliotheken zu Gołuchów, Krakau, Lemberg, Lublin, Płozk, Thorn und Warschau — Straßburg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.30131#0034
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Kreuznimbus. Den nackten Körper umhüllt nur ein weiter
Mantel, am Halse mit einer Agraffe zusammengehalten,
welcher den Oberkörper sehen läßt. Rechts vom Salvator
taucht nur mit dem halben Körper aus einem Wolken-
band der in Felle gekleidete Johannes d. T., links Maria,
beide betend. Zwischen dem Himmel und der Erde,
rechts und links, schwebt je ein Posaunen blasender
Engel. Links fiihrt Petrus sechs nackte Selige zur Pa-
radiespforte, rechts wirft Satan zwei Verdammte in den
offenen Höllenrachen, wo sie ein Teufel empfängt. Im
Hintergrunde steigen aus drei offenen Gräbern drei
Tote.

Das Blatt weist dieselben Stilnierkmale atif, wie die
vorher beschriebene Thorner «Kreuzigung», es ist sicher
ein Werk derselben Hand. Der mit dem Saummantel
bedeckte Kopf der Maria steht nahe den Blättern Schr.

387 und 709. Aus derselben Werkstatt scheinen zwei
andere Blätter in Paris zu stammen : Schr. 288, Bouchot
15 «Geißelung Christi an der Säule» und Schr. 891,
Bouchot 159 «Der Schmerzensmann zwischen den Mar-
terwerkzeugen». Das Format dieser Reiberdrucke ist fast
identisch, dasselbe gilt von der Linienfiihrung, Haarbe-
handlung, aucli die Gesichtstypen sind auffallend ähn-
lich. Bouchot datiert die Holzschnitte 1410—15 und
lokalisiert sie in Burgund, beides mit Unrecht, denn es
sind deutsche Erzeugnisse aus dem dritten Jahrzehnt des
XV. Jahrhunderts. Vielleicht gehört zu dieser Gruppe
auch Schr. 342, Bouchot Nr. 25, Pl. 14, «Die Kreuz-
tragung», ähnlich in Ausmaßen und identisch, wie die
Thorner Blätter, koloriert. Ebenfalls der hl. Christoph
Schr. 1369, Bouchot Nr. 91, PI. 48, steht dieser Gruppe
stilistisch nahe.

WARSCHAU.

MAJORATSBIBLIOTHEK DER GRAFEN KRASINSKI.

53. Die Heiligen Crispinus, Crispinianus,
Alto und Simon Tridentinus. Schrotblatt.

178 x 122 mm. Unbeschrieben.

Eingeklebt in eine Handschrift des XV. Jahrhunderts,
«Chronica fratrum minorum ordinis S. Francisci.»

Farben: hellgelb, grün, braunrot.

In einer behaglichen Werkstattstube, deren Boden
mit dreieckigen Fliesen belegt ist, sitzen um den quadra-
tischen Holztisch, auf v/elchem Schusterwerkzeug liegt,
die hl. Crispinus und Crispinianus bei ihrer Schuster-
arbeit. Beide tragen über den eng anliegenden Unter-
kleidern faltige, knielange Röcke, darüber gegürtete Schür-
zen. Crispinus hat eine barettartige, weiche, faltige Kopf-
bedeckung, während es bei Crispinianus ein rundes
Käppchen nacii Humanistenart ist. Hinter ihren Köpfen
schweben die Strahlennimben. Unter dem Tische steht
ein Topf, darin drei Blumen. Im Vordergrunde steht in
einem Bottich ein Lehrling, ähnlich wie die Meister ge-
kleidet, nur barhäuptig, welcher den Zipfel seines Rockes
init der Linken hebt. Rechts, in der Ecke, steht barfuß»
nur in einem Hemd, der kleine Simon Tridentinus. Er
stützt sich mit der einen Hand am Griffe des Bottichs,
die andere mit gestrecktem Zeigefinger ist wie warnend
erhoben. Er scheint sich mit dem Jungen im Bottich zu
unterhalten. An der schrägen, aus Steinquadern gebil-
deten, rechten Wand hängt ein Handtuch, an der linken

sehen wir ein vergittertes Fensterchen. Die Hinterwand
öffnet sicli und auf einem schwarzen, mit Blumen und
Ranken genuisterten Grund sieht man einen Bischof, halb
in Handwerkertracht: iin Scluirz, aber auch Mitra und
Humerale gekleidet, welcher, in der Rechten ein Beil
haltend, das vor ihm liegende Holzstück bearbeitet. Die
ganze Szene ist in eine auf Säulen ruhende Arkade ge-
stellt, in deren Zwickeln sich je eine Ranke mit Blume
windet. Alle Personen, außer dem Jungen im Bottich,
welcher keinen Nimbus hat und somit kein Heiliger ist,
sind durch Inschriften auf Bandrollen bezeichnet. So
lesen wir in gotischer Minuskel: «^. Ct‘ifpinu£. ^anct
Cfiipiniano. fymon bt trcnt» und endlich an der
Wand tiber dem Bischof «^fanct 51'ltljcr». Aber so ein
heiliger Bischof ist in keiner Ikonographie oder Martyro-
logium zu finden. Wir haben höchst wahrscheinlich den
hl. Alto vor uns (um 750), den Griinder der bayrischen
Benediktinerabtei Altomünster. Zwar hat dieser Hei-
lige als Attribut eine Handsäge, mit welcher er, wie
seine Vita erzählt, eigenhändig die Bäume fällte, die
zum Bau seiner Gründung dienen sollten. Doch sieht
man auf dem beschriebenen Schrotblatt einen heiligen
Bischof bei der Zimmermannsarbeit, welcher niemand
anders als der Erbauer von Altomünster sein kann. Aus
dem Namen Alto könnte sehr leicht Alther entstanden
sein.

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