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Heitz, Paul [Hrsg.]; Ameisenowa, Zofia [Bearb.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 69): Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhundert in Polen: Holz- und Metallschnitte in den Bibliotheken zu Gołuchów, Krakau, Lemberg, Lublin, Płozk, Thorn und Warschau — Straßburg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.30131#0027
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Schon Schreiber stellte fest, daß dieses, übrigens
handvverksmäßig gearbeitete, Blatt eine Kopie nach dem
Kupferstich des Meisters mit den Blumenrahmen ist, nach
welchem auch die Nummern Schr. 2255, 2255a und 2261
kopiert sind.

31. St. Gertrud von Nivelles. Schrotblatt.

47 x 34 mm. Schr. 2643.

Gekauft bei L. Rosenthal in München aus Katalog 90,
Nr. 126.

Die Heilige steht etwas nach links gewendet, in
Aebtissinnentracht. Sie hält in der Linken ein Buch, in
der Rechten den Spinnrocken, auf welchem eine Ratte
sitzt; eine andere klettert enipor. Rechts ein Baum mit
zwei Blattzweigen. Der Boden ist punktiert. Oben eine
Inschrift: «S. ger - trut».

Dieses rolie Blatt, von einer Iediglich ikonographi-
schen Bedeutung, ist von derselben Hand wie die oben
beschriebene «Gefangennahme Christi» (Schr. 2259).

Zu derselben Gruppe gehören die weiblichen Hei-
ligen in Wien: Agatha (Schr. 2620, Stix 112), Elisabeth
(Schr. 2616, Stix 118), Barbara (Schr. 2563, Stix 109),
Dorothea (Schr. 2614, Stix 110), Ursula (Schr. 2734,
Stix 111) und Agnes (Stix 102).

Alle diese Blätter sind des gleichen Formates und
unkoloriert; sie weisen dieselben technischen Merkmale
und den Gebrauch derselben Punzen auf. Auch die
Einzelheiten: die doppelt eingefaßten Nimben, die Be-
handlung der Pflanzen und des Haares, stimmen iiber-
ein. Stix macht auf die Besonderheit dieses Metall-
schneiders aufmerksam, welcher den Mund rechteckig
zeichnete.

LUBLIN.

SAMMLUNG DES DOMHERRN Dr. L. ZALEWSKI.

32. Christus am Kreuz mit Maria und
Johannes. Holzschnitt.

245 x 174 mrn. Unbeschrieben.

Etwas wurmstichig, in der Mitte ein Loch, sonst gut
erhalten.

Zweites Viertel des XV. Jahrhunderts.

(Dieses Blatt ging inzwischen in den Besitz der
Jagellonischen Bibliothek in Krakau über.)

Farben: Kreuz, Nimben, Boden, Haare, Kleider Ma-
riä und Johannis hellgelb, Mantel Johannis rosa, Futter
grün. Marias Mantel sandfarben, das Futter, sowie das
Kreuz am Nimbus Christi zinnober. Karnationen zart-
rosa, Christi Bart und Haupthaar braun.

In der Mitte ist ein perspektivisch gezeichnetes Kreuz
mit der Inschrift i. n. r. i. auf einer horizontalen Band-
rolle, zwischen große Steine eingepflockt. Der mit un-
gewöhnlich großen Nägeln befestigte Körper Christi ist
etwas nach links verschoben. Das breite Perizonium
flattert nacli rechts. Der leblose Kopf mit geschlossenen
Augen ist an die rechte Schtilter geneigt. Kurzes Bart-
und sehr langes Haupthaar umrahmen das Gesicht. Die
Strähnen fallen bis auf die rechte Brust herab. Der wohl-
proportionierte, nichts weniger als hagere Leib ist mit
gewissem Verständnis der Anatomie gezeichnet. Links
steht Maria, mit dem Zeigefinger der Linken auf den Ge-
kreuzigten hinweisend. Ihre Gestalt umhüllt ein faltiger
Mantel, das Haupt und die Stirne bedeckt ein Tuch-

Rechts Johannes, den Körper etwas nach rechts, den
Kopf nach links wendend. Er hält durch den Zipfel
seines Mantels ein Buch. Nur sein linker, bloßer, schma-
ler Fuß ist sichtbar, den rechten bedeckt der Mantelsaum,
Dies schöne Blatt, von hervorragendem, künstleri-
schen Wert, ist meisterhaft komponiert, gezeichnet und
geschnitten. Die Liniensprache des Künstlers ist lako-
nisch, ohne jedes nebensächliches Detail, dafür aber wohl-
lautend und äußerst ausdrucksvoll. Man fühlt die un-
fehlbare Sicherheit des Messers. Der Schnitt ist haar-
scharf, der Abdruck selten rein und kräftig. Die Linien
scheinen mit dünner Feder eines Kalligraphen geführt zu
sein. Mit wenigen, bescheidenen Mitteln ist die möglichst
intensive, ästhetische Wirkung erreicht. Die Gesichter
sind individualisiert, das der Maria frauenhaft voll und
mild, Johannis vergeistigt und schmerzlich. Seine Augen
sind länglich, die Nase mit den zarten Fliigeln etwas ge-
bogen, die Lippen schmal. Wie Feuerzungen umrahmen
die geringelten Locken das iebensvolle Antlitz. Charak-
teristisch ftir diesen Holzschneider sind die rechtwinkelig
gezeichneten Augenbrauen. Die Draperie ist noch nicht
eckig gebrochen: sie fließt ruhig, in halbrunden, tiefem
Falten und breitet sich weich auf dem Boden. Die Ko-
lorierung mit Wasserfarben ist hauchzart. Die Linien
laufen meist vertikal, sie bilden schon keine Oesen mehr,
aber hie und da einen feinen Haken. Dieser Holzschnitt
ist kein handwerksmäßiges Massenerzeugnis eines simplen

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