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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0050
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Limesfall und Völkerwanderung

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260 n. Chr. die Limesgebiete Obergermaniens östlich des Rheins und Raetiens nörd-
lich der Donau aufzugeben, sie gegen Verpflichtungen germanischen Siedlern zu
überlassen und die Truppenlager wieder auf Rhein und Donau zurückzunehmen.
Nur ein Bruchteil der Germaneneinfälle ist schriftlich überliefert; häufig sprechen
Brand- und Zerstörungsspuren, vergrabenes Gut vom Hausrat bis zum Münzschatz
ihre eigene Sprache. Ein solcher Versteckfund (Eisengeräte zusammen mit der Mars-
statuette, Abb. 11) stammt aus Böbingen.
Wegen der mangelhaften Quellenlage sind weder die Vorgänge im einzelnen, noch
der spätere Status der aufgegebenen Landstriche bekannt. Zumindest für die Früh-
zeit (3./4. Jahrhundert) ist davon auszugehen, daß Rom mit den Königen alamanni-
scher Teilstämme vertragliche Vereinbarungen abschloß, die sie gewissermaßen im
Auftrag des Reiches zu Schutzfunktionen gegen weitere, aus Nordosten herandrän-
gende Germanen verpflichtete. — 496 verloren die Alamannen den Nordteil ihres bis
an den Main reichenden Gebietes, 536 geriet auch der südliche Teil und damit das
Gmünder Gebiet unter fränkische Oberhoheit.
Die archäologischen Zeugnisse für die germanische Besiedlung sind aus dem Gmün-
der Raum nicht gerade zahlreich, aber bemerkenswert. Vom Kastell Schirenhof gibt
es eine Handvoll germanischer Keramik und einen großen sternförmigen Glaswirtel
des 4. Jahrhunderts; im Kastell Böbingen fand sich ein germanischer Beinkamm.
Auch die spätrömische Münze des Liciniusl (308 — 324 n. Chr.) aus der Charlotten-
straße (Textabb. S. 30/31, 13) gehört in diesen Rahmen. Eine besondere Rolle hat
der Rosenstein bei Heubach gespielt: Von dort stammen eine Reihe spätrömischer
Funde (Riemenzunge, Rädchensigillata, Eisenwerkzeuge) zusammen mit germani-
schen Erzeugnissen (Keramik, Beinkamm). Ob der Rosenstein mit seinen Höhlen
nur als Zufluchtsort diente oder, wie neuerdings angenommen, als alamannische
Höhenburg, mithin Sitz eines Teilfürsten, ist vorerst noch offen.
Merowingische Funde aus Reihengräbern des 7. und 8. Jahrhunderts kamen 1877/78
bei Oberböbingen ans Tageslicht, darunter prächtige Waffenausstattungen und
Goldschmuck. Während man für den Siedlungsraum um Böbingen und Heubach
eine dichte Siedlungsabfolge verzeichnen kann, trifft dies für Gmünd-Schirenhof
nicht zu. Hingegen erhob sich der alte Ortskern von Lorch — dessen Name zu Recht
oder Unrecht aus antiken Wurzeln hergeleitet wurde — unmittelbar über der römi-
schen Ruinenstätte. Die nachrömischen Schicksale dieser Ortschaft, bislang im Dun-
kel der Überlieferung, verdienen aber in Verbindung mit der frühen kirchlichen
Bedeutung ganz besondere Aufmerksamkeit, wenn wir im Remstal nach dem Über-
gang von der Antike zum Mittelalter suchen.1
 
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