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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0182
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Die Bürgerschaft

147

Die älteste erhaltene Sensenschmiedordnung wurde 1442 erlassen. Da durch das
Gewerbe der Verbrauch von Holz und Kohle angestiegen war und der Stadtbürger
kaum billiges Holz auf dem Markt vorfand, erlegten sich die Meister eine Beschrän-
kung der Jahresarbeitszeit, der Tagesproduktion und der betriebenen Feuerstellen
auf. Verstöße gegen diese Ordnung wurden mit der immensen Strafsumme von 10 fl.
geahndet, die zur Hälfte dem Rat, zur Hälfte der Zunft zugute kam.391 In der näch-
sten Ordnung von 1452 stehen dagegen die hohen Lohnkosten der Knechte im Mit-
telpunkt. Offensichtlich hatten hohe Gewinne zu einer Verbesserung der Arbeitsbe-
dingungen geführt.392 1 4 8 3 beleuchtet ein von Pantaleon Hölzlin wegen der Sensen-
schmiedordnung gegen den Rat angestrengter Prozeß die Lage des Gewerbes. Hölz-
lin wandte sich gegen das bei Erlangung der Meisterschaft zu zahlende Meistergeld
von 5 fl., gegen die Festsetzung eines Tageslimits und das Verbot einer Herstellerga-
rantie. Obwohl das Handwerk das wichtigste Gewerbe der Stadt war, gab es damals
nur elf Sensenschmiedmeister (zum Vergleich: die gesamte Schmiedzunft hatte etwa
150 Mitglieder). Über den Vertrieb der Sensen, von denen 100 Stück 13 oder 15 fl.
kosteten, erfährt man, daß die Meister Knechte beschäftigten, die die Sensen auf dem
Land verkauften.393
Weitere Details zur Geschichte der Sensenschmiede liefert ein Warenzeichenschutz-
prozeß, der 1503 zunächst vor dem Stadtgericht, von 1508 bis 1522 vor dem Reichs-
kammergericht geführt wurde.394 Die Sensenschmiedswitwe Katharina Lemlin, die
das Handwerk mit Hilfe eines Knechts ausübte, klagte gegen den Sensenverleger und
Stadtschreibersohn Peter Estlin, der das schon von Katharina Lemlins Großvater
geführte Warenzeichen der Ilge (Lilie) widerrechtlich auf die von ihm verlegten Sen-
sen schlagen ließ. Jeder Sensenschmied schlug außer dem städtischen Einhorn ein
eigenes, innerhalb der Familie vererbtes Zeichen auf die von ihm gefertigten Sensen.
Bestimmte Zeichen, darunter verständlicherweise die Lilie als französisches Königs-
wappen, waren in Frankreich, dem Hauptabsatzgebiet der Sensen, besonders
beliebt. Der Export nach Frankreich soll um die Mitte des 15. Jahrhunderts begon-
nen haben. Die Meister verlegten ihre Sensen wohl in der Regel selbst. Die Sensen
von Ulrich Hack, Sproß einer verbürgerlichten Adelsfamilie395, Ratsmitglied und
einmal auch Bürgermeister, seien, so eine Zeugenaussage, im ganzen welschen Land
bekannt gewesen. Sein Bruder Veit Hack schmiedete selbst vor zwei Feuern, handel-
te jedoch ebenfalls nach Frankreich. Der Stettmeister Hans Köllin, der 24 Jahre lang
Sensenhandel betrieben hatte, besaß ein Vermögen von 3000 fl.
Den Verlag der Sensen besorgten aber auch zunftfremde Kaufleute, wie aus einem
Warenzeichenschutzprozeß von 1471 hervorgeht. Ulrich und Veit Hack ließen eine
Anzahl Sensen beschlagnahmen, die von dem Sensenschmied Paul Ülin für den
Nördlinger Fernkaufmann Caspar Funk aus Gmünd geschmiedet worden waren. Er
 
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