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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Editor]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0353
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Der Anfang vom Ende. Politische Strukturen der Reichsstadt im 18. Jahrhundert

ger nach kritischer und wacher Teilnahme. Dieses Ringen zweier Strukturprinzipien
ist immerhin in rund 70 Prozent aller am Ende des Alten Reiches existierenden
Reichsstädte auszumachen.5 Hatte noch 1576 der Magistrat Kaiser Maximilian II.
gegenüber in einer nahezu larmoyanten Weise erklärt, daß die oberkait Inn den Stet-
ten solche macht nit hat wie andere Stend haben,6 so setzte er in der Folgezeit alles
daran, um den Anschluß an die aristokratisch-absolutistische Tendenz des Barock-
zeitalters zu bekommen. Voraussetzung und Grundlage dieser Entwicklung war die
Verfassungsänderung durch Karl V. von 1552 bis 1556 gewesen,7 die den Einfluß der
Zünfte und die bisherige Transparenz in den Regierungsverhältnissen weitgehend
beseitigte. Genossenschaftliche Elemente der alten Zunftherrschaft waren zwar wei-
terhin im Großen Rat institutionalisiert, aber nach der kaiserlichen Verordnung von
1556 war er vom Kleinen Rat in seiner Funktion völlig abhängig:. . . doch daß in all-
weg der groß Rath vermög berürter unser Reformation und der Stat Gmünd alten
Herkhomens dem klainen zu gehorsam und verbunden sein . . .s Der Kleine oder
Geheime Rat bildete in Wirklichkeit die Regierung, konnte die Befugnisse des Gro-
ßen Rates bestimmen und festlegen, wann er zusammentrat.9 Die Einrichtung des
Großen Rates spielte schließlich nur noch ein Schattendasein, und somit schwand die
Einflußmöglichkeit der Bürger auf die Geschicke der Stadt mehr und mehr. Im Ver-
einigungsrezeß von 1753/58 ist er keine Erwähnung mehr wert.10 Die gesamte Macht
wurde auf fünf Personen, die »Geheimen«, übertragen, zu denen auch die drei Bür-
germeister gehörten, und allesamt gingen sie aus dem Kreis der begüterten Bürger
hervor." Kontinuität in Verwaltung und Geschäftsbetrieb glaubte man durch eine
lebenslange Amtszeit der Bürgermeister zu erreichen, in Wirklichkeit förderte man
Korruption und Unterschleif.12 Die Erneuerung des Rates blieb den fünf Geheimen
überlassen, eine Teilnahme des Großen Rates war nicht vorgesehen. Durch Koopta-
tion und fast regelmäßige Neuwahl gelangten ausschließlich Freunde und Anhänger
der Gmünder Ehrbarkeit ins Ratsgremium.13 Die Verfassung, wie sie von Karl V.
den Gmündern verordnet war, blieb in den Grundzügen bis zur Mediatisierung
bestehen. Das 18. Jahrhundert, die Zeit der von oben verordneten Dekrete, offen-
bart sich als ein immerwährender Versuch zur inneren Reform des Gemeinwesens,14
und es war eigentlich eine einzige große, in rechtliche Formen gekleidete politische
Auseinandersetzung um das Gleichgewicht der Kräfte im Stadtstaate . . .15 Die weit-
greifende Oppositionsbewegung kündigt sich bereits gegen Ende des 17. Jahrhun-
derts an,16 in einer Zeit also, in der andere oberdeutsche Reichsstädte noch keinen
Atem haben zur Regeneration ihres Verfassungslebens, sind sie doch mit dem Nach-
spiel des Dreißigjährigen Krieges noch zu sehr beschäftigt.17 Den Unruhen am
Beginn des Jahrhunderts bereitet ein Rezeß vom 1. Juni 1706 ein vorläufiges Ende.15
Aber schon in der 1. Hälfte der zwanziger Jahre gärte es erneut. Es kommt zur
 
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