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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0354
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Bürgerprozesse und Magistrat

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Errichtung eines Haupt- und eines Nebenrezesses zwischen Einem löhl. Magistrat
und der Impetranten Burgerschafft der Heil. Rom. Reichs-Stadt Schwab. Gemündt
(9. April 1723/12. April 1724).19 Die Gegensätze wurden durch die Verträge nur für
kurze Zeit überbrückt. 1747 sahen sich Gmünder Goldschmiede veranlaßt, den
Magistrat auf seinen höchst mißbräuchlichen Umgang mit den Bestimmungen der
Rezesse hinzuweisen,20 obwohl deren auch für den Rat verbindlicher Charakter von
Wien aus ausdrücklich bestätigt wurde.21 Dem Rat fehlte es ganz offensichtlich am
Willen, zum allgemeinen Besten zu regieren. Lassen wir einen kritischen Beobachter
der Zeit zu Wort kommen, den Chronisten Dominikus Debler: Es wurde stark von
der Bürgerschaft geklaget, daß hier gar keine Ordnung, keine Haushaltung, daß man
das Wohl der Bürger gar nicht observiere, daß man nur studiere, wie man Geld erha-
schen kann, daß die Herren ihre starke Besoldung, Accidentien etc. wohl einziehen
können, daß nicht soviel Offizianten zur Besoldung gebrauche etc., daß die meisten
unnütz und nur Faulenzer . . . Das seind die Folgen von einer leichtsinnigen, eigen-
nützigen und schläfrigen Regierung... ich glaube, wenn nicht Fremde Ordnung hier
errichten, so geschieht keine.12 Schon der Rezeß vom April 1723 hatte unmißver-
ständlich festgelegt, daß bey solcher Frsaetzung der Raths, und anderer Stellen nicht
auf Verwandtschafft, Gunst, oder aigennutz, sondern vielmehr der Subjectorum
Capacitaet und Merita, anbey insonderheit und darauf gesehen werden, daß nicht
allein die Verwandte des Raths, sondern auch andere ehrbare und verständige Män-
ner, so nicht befreund, in den Rath und zu anderen Bedienstungen gezogen und
befördert werden . . .,23 eine Bestimmung, die bis zum Ende der Reichsstadtzeit eine
Handhabe zur Anfechtung von Magistratswahlen bot — allerdings ohne größere
Auswirkungen zu zeitigen.24 Der beklagte Nepotismus und die Ineffizienz der Ver-
waltung legten immer wieder den Grundstein zur Widersetzlichkeit der Bürger-
schaft, die so ganz und gar nicht die Untertanenmentalität an den Tag legte, wie der
Rat dies gewünscht hätte. So fürchtete man in den neunziger Jahren durchaus den
Umsturz des »Staatsgebäudes«. Disharmonie innerhalb der Ratsclique, unwürdige
Geschwätzigkeiten, selbstsüchtige Annahme von Bestechungsgeldern untergruben
den Anspruch des Magistrats als einer von Gott und Kaiser Vorgesetzten Obrigkeit
auf Respekt und Gehorsam.25 Eine bedrohliche Unzufriedenheit der Bürger zu
Beginn der fünfziger Jahre26 hatte zum Vereinigungsrezeß von 1753/58 geführt, der
in 143 Artikeln das Verhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten bis zum
Ende der Reichsstadtzeit in den Grundsatzfragen regelte. Der Vergleich27 ebnete
durch Artikel 97 den Weg zur Wahl von fünf bürgerlichen Syndici, die außerhalb
der städtischen Obrigkeit, aber — ein seltener Fall — innerhalb der städtischen Ver-
fassung stehen28 und durch sie garantiert werden. Dem Rezeß gemäß bestand ihre
ursprüngliche Aufgabe in der Überwachung der Verwendung der Steuergelder und
 
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