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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0369
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306

Der Anfang vom Ende. Politische Strukturen der Reichsstadt im 18. Jahrhundert

pflichtungsakt auch an ihnen zu exequiren versuchen würde, wie Bernritter an den
Herzog schreibt. Dieser Schritt war nach Anordnung unverzüglich nachzuholen.122
Ein württembergischer Fragebogen, am 11. November dem Gmünder Magistrat
überbracht, verlangte Auskunft über den rechtlichen, politischen, kirchlichen und
ökonomischen Zustand des neu erworbenen Gebietes. Eine Bilanzierung der letzten
zehn Jahre war unter den gegebenen Gmünder Verhältnissen in dem beabsichtigten
Zeitraum nicht zu erstellen. Fehlerhafte Administration und die Ungewohnheit des
Magistrats, schnell und systematisch zu arbeiten, dehnte die Arbeit, die man
ursprünglich in 14 Tagen zu erledigen können glaubte, auf über zwei Monate aus.123
Der von Bernritter vorgenommene Sturz aller 17 Gmünder Kassen offenbarte den
zerrütteten Stand der Gmünder Haushaltsführung. In diesen Kassen waren nicht
mehr als 5505 fl. 27 kr. baren Geldes aufzutreiben. Über die Kontributionskasse war
seit 1790, über die so wichtige Stadtkammerkasse seit 1783, also seit 19 Jahren, keine
Jahresschlußrechnung auf gestellt worden.124 Magistratspersonen und Offizianten
hatten dagegen Forderungen an die Stadt in Höhe von 13 203 fl. 57 kr.125 Der im Jahr
darauf aufgedeckte Schuldenberg der Stadt betrug 1 028 762 fl.126 All diese Tatsachen
zeichnen ein Bild von der Finanzlage der Stadt, die nur als katastrophal zu bezeich-
nen ist. Verfehlte Personalpolitik und »Vetterleswirtschaft« hatten die Stadt an den
Rand des finanziellen Ruins gebracht. Kanzleiadvokat Sattler, der am 3. Dezember
Bernritter ablöste, glaubte deshalb zu bemerken, daß die Bevölkerung den bevorste-
henden Veränderungen mit Vergnügen entgegensah.127 Vergnügen hier, aber auch
Wehmut; Chronist Debler bemerkt: Vom 18. November bis hierher haben wir alle
unsere Freiheiten verloren, was haben wir davor, was sind wir, Untertanen, Sklaven.
Unsere Stadtfreiheiten von so vielen Kaisern, Königen sind und gelten nichts mehr.128
Die letzte Eintragung in reichsstädtische Ratsprotokolle geschah am 9. Februar
18 03.129 Was folgte, war die Eingliederung Gmünds in die Organisation des von sei-
nen Stammlanden getrennten, absolutistisch regierten Staates Neuwürttemberg mit
der Hauptstadt Ellwangen.130 Kurze Zeit später war Gmünd als Oberamtsstadt ein
Bestandteil des Königreiches Württemberg.
 
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