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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0395
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Schwäbisch Gmünd im 19. Jahrhundert

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Das Gesuch wurde an Oberamtmann Muff weitergeleitet. Dieser untersagte der Bür-
gergarde grundsätzlich jegliche Art von Waffenübung und betonte dabei, auch in
den altwürttembergischen Landesteilen sei die Landmiliz aufgehoben.
Die Landvogtei in Ellwangen hegte sehr ernsthafte Bedenken, da es sehr leicht zu
Zusammenstößen mit dem Militär kommen könne. Schließlich meinten die Ellwan-
ger, zu einer rein religiös und rituell ausgerichteten Handlung wie dem Fronleich-
namsfest seien überhaupt keine Bewaffneten erforderlich.
Am 7. Mai 1804 wurde schließlich entschieden, daß die Bürgergarde nicht mehr wei-
ter bestehen könne. So endete eine ausschließlich auf Repräsentation ausgerichtete
paramilitärische Organisation nach einer relativ kurzen Lebensdauer von knapp
mehr als fünf Jahren ohne große Tradition.
Die Ressentiments, die vorgefaßten Meinungen und die sonstigen Vorbehalte, die
von außen her gegen Gmünd und überhaupt gegen die neuwürttembergischen Lan-
desteile vorgebracht wurden, saßen sehr tief. Hier waren zwei konträre Welten auf-
einandergeprallt. Warum gab es diese Härte der Fronten und diese absolute Intole-
ranz, die gar nicht in das Zeitalter der Aufklärung mit ihrer immer wieder propagier-
ten Tugend hereinpaßte? Hermann Bausinger charakterisiert diese engstirnige Hal-
tung folgendermaßen: Die äußere Enge wäre nicht so wirkungsvoll gewesen, wenn
sie nicht ihre Entsprechung gehabt hätte in einer gewissen Enge und Strenge des
Lebenswandels, die gerade auch für jenes Gebiet charakteristisch war, das beinahe als
einziges eine größere, den Kirchturmhorizont sprengende Einheit bildete: Altwürt-
temberg . . . Das entscheidende Element war dabei die Kirche, der . . . auch noch fürs
19. Jahrhundert hervorgehobene Ernst des Luthertums, das hier vor allem durch eine
sehr breite pietistische Bewegung geprägt und charakterisiert wurde.8 Von dieser
Weltanschauung war auch der altwürttembergische Pfarrer Philipp Ludwig Her-
mann Roeder besessen, der im Jahre 1804 in Ulm anonym eine »Geographie und Sta-
tistik von Wirtemberg« verlegen ließ. In dieser als Beispiel früher landeskundlicher
Betrachtung nicht ganz uninteressanten Arbeit erlaubte sich der Autor, die von ihm
beschriebenen Städte einer Kritik zu unterziehen. Das war durchaus berechtigt.
Dabei verfuhr er aber ganz und gar als typischer Altwürttemberger, der allzusehr
von der engstirnigen Auffassung des Pietismus geprägt war, dem ganz besonders
hierzulande anderen Glaubensrichtungen gegenüber die Toleranz und das nötige
Einfühlungsvermögen fehlten. Der Verfasser war, wie Peter Spranger bemerkt, einer
von denen, die eher den Splitter im Auge des Bruders erkennen, als den Balken im
eigenen.9 Die Bewohner der Stadt Gmünd werden hier folgendermaßen charakteri-
siert: Die Einwohner sind in ihrem Fleiß und Gewerbsamkeit, und damit auch in
ihrem Wohlstände und Nahrung weit herab gekommen, welches besonders in der
Stadt fühlbar ist. Nirgends wird man mehr Bettler finden, welche die Fremden hau-
 
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