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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0485
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Schwäbisch Gmünd von 1894 bis 1945

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wahlkampf innerhalb Jahresfrist zu bescheren. Er war als Chef einer Koalitionsregie-
rung angetreten und wollte für seine Partei die absolute Mehrheit im Parlament. Dies
gelang ihm in der Wahl vom 5. März 1933 zwar nicht, wohl aber erreichte er eine
Mehrheit zusammen mit seinen Verbündeten in der »Kampffront Schwarz-Weiß-
Rot«, in der sich die Deutschnationalen Hugenbergs, der Stahlhelm und die Anhän-
ger Papens zusammengefunden hatten.
Betrachten wir noch den Wahlkampf in Gmünd und Umgebung zu dieser Wahl.
Rührig waren vor allem die beiden Flügelparteien, die Nationalsozialisten und die
Kommunisten, aber auch das Zentrum kämpfte mit großer Hingabe. Am 11. Febru-
ar veranstaltete die NSDAP eine Versammlung in Findach, zu der Gmünder Kom-
munisten mit Anhängern erschienen. Dabei gerieten der nationalsozialistische Stadt-
rat Sannwald und der kommunistische Stadtrat Haag aneinander. Sannwald hielt
Haag vor, er beziehe als Fandtagsabgeordneter hohe Diäten und unterhalte auf der
Bank ein ansehnliches Konto, was diesen sehr erregte und zu Drohrufen veranlaßte.
Nach der Versammlung gab es vor dem Fokal eine wüste Schlägerei, und es fielen
Schüsse. Ein Kommunist wurde in den Oberschenkel getroffen. Man konnte später
nicht mehr feststellen, wer zuerst geschossen hatte. Das Ellwanger Fandgericht hielt
die Kommunisten für schuldig und verurteilte Haag wegen Fandfriedensbruchs zu
einem Jahr Gefängnis. Haag wurde nach der Gefängnishaft in das berüchtigte Kase-
mattenlager Kuhberg bei Ulm eingeliefert und kam später in die Konzentrationslager
Dachau und Mauthausen. Seiner Frau gelang es, indem sie im Hauptquartier der
Gestapo in Berlin vorsprach und bis zu Himmler vordrang, ihn aus dem KZ heraus-
zuholen.
Noch einmal kam der württembergische Staatspräsident Bolz nach Gmünd. Er
sprach auf einer großen Wahlkundgebung am F März im Stadtgarten. Rechtsanwalt
Kah leitete als Vorsitzender des Gmünder Zentrums die Versammlung. Die Rems-
Zeitung nannte die Rede des Staatspräsidenten »ein Musterbeispiel ruhiger, sachli-
cher Überlegungen und staatsmännischen Verantwortungsbewußtseins«. Es war
eine kämpferische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Die Männer
der württembergischen Regierung Bolz, Beyerle und Reinhold Maier kämpften
damals auf verlorenem Posten. Die anderen demokratischen Parteien engagierten
sich kaum mehr, hier hatte schon Resignation Platz gegriffen. Dem Zentrum wird
man bescheinigen dürfen, daß es im Gmünder Raum bis zuletzt gegen die Hitler-
Flut angekämpft hat. Als Redner traten in Erscheinung: Rechtsanwalt Kah, Fabri-
kant Paul Köhler, Gewerkschaftssekretär Heibel und Dr. Möhring. Das Wahlergeb-
nis zeigte auch am 5. März das Zentrum vorne: Von 11 903 gültigen Stimmen erhielt
es 5135, nahezu 44 Prozent. Es ist freilich nicht zu verkennen, daß der prozentuale
Anteil des Zentrums zurückgegangen war. Die Nationalsozialisten konnten gegen-
 
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