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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Editor]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0486
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Vom Kaiserreich über die Zeit der Weltkriege bis zur demokratischen Republik

über der Novemberwahl ihre Stimmen nahezu verdoppeln: von 1659 auf 3170; sie
erreichten 26 Prozent der Wählerstimmen. In der Umgebung der Stadt fällt auf, daß
die Nationalsozialisten bei dieser Wahl in Heubach und Lorch bereits die absolute
Mehrheit erreichten. Hoch war ihr Stimmenanteil auch in Bartholomä, Lindach,
Täferrot, Großdeinbach und Mögglingen. In dem zuletzt genannten Ort erreichten
die Nationalsozialisten 330, das Zentrum 332 Stimmen.
Die »Machtergreifung« in Gmünd
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Gmünd ging in mehreren Etappen
vor sich. Sie begann mit der Flaggenhissung am Rathaus und endete im April 1934,
als Lüllig aus dem Amt entfernt wurde und die letzten Zentrums-Stadträte den
Gemeinderat verließen. Bereits am 6. März 1933 forderten die Nationalsozialisten in
Stuttgart: »Bolz muß weg.« Am Tag danach hißten sie die Hakenkreuzfahne auf dem
Landtagsgebäude.
Am 8. März geschah das seit langem Befürchtete: Berlin ernannte einen Reichskom-
missar für Württemberg in der Person des SA-Gruppenführers von Jagow, die
geschäftsführende Regierung Bolz war damit entmachtet. Am 15. März kam es zur
Neuwahl des Staatspräsidenten durch den Landtag, Gauleiter Wilhelm Murr wurde
Staatspräsident, doch wenige Wochen später ernannte ihn Hitler zum Reichsstatthal-
ter; darauf wurde Christian Mergenthaler Ministerpräsident. Beide behielten ihre
Ämter bis zum Ende des Dritten Reiches.
In Gmünd fand am 10. März eine Sitzung der Inneren Abteilung statt. Oberbürger-
meister Lüllig teilte dabei mit, Stadtrat Sannwald habe ihm eröffnet, daß an diesem
Abend die Hakenkreuzfahne am Rathaus gehißt werde, flankiert von den Farben des
Landes und der Fahne Schwarz-Weiß-Rot. Lüllig legte schärfste Verwahrung gegen
dieses Vorhaben ein, weil eine Parteifahne nicht ans Rathaus gehöre; er werde der
Flaggenhissung jedoch keinen Widerstand entgegensetzen, da er dies für zwecklos
halte. Sannwald erklärte, die Hissung der Hakenkreuzfahne stelle für die National-
sozialisten eine Antwort dar auf die Hissung der roten Fahne im November 1918.
Vor einer großen Menschenmenge fand am Abend die Hissung statt; Lüllig war
nicht anwesend. In den folgenden Wochen und Monaten fanden Aktionen der Partei
und der SA gegen politische Gegner statt, namentlich gegen Kommunisten. Die
Polizei durchsuchte den Laden des Kommunisten Staudinger in der Rinderbacher-
gasse, in dessen Schaufenstern verschiedene Karikaturen sowie Fotos von Lenin und
Stalin ausgestellt waren. In der Nacht vom 10. auf 11. März wurden auf Veranlas-
sung des Reichskommissars Funktionäre der KPD in Württemberg in Schutzhaft
genommen, in Gmünd waren es sieben. Am 15. April meldete die Rems-Zeitung, die
 
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