Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0487
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schwäbisch Gmünd von 1894 bis 1945

405

Kommunisten Lachenmaier, Zimmermann und Eckstein seien in Schutzhaft genom-
men und auf den Heuberg gebracht worden. Die kommunistischen Stadträte fehlten
bereits am 14. März in der Gemeinderatssitzung. Die Frau des Landtagsabgeordne-
ten Haag, der wegen des Vorfalls in Lindach in Untersuchungshaft saß, wurde eben-
falls in Schutzhaft genommen und nach Gotteszell gebracht. Zu den Maßnahmen
gegen politische Gegner gehörte es auch, daß Studienrat Wilhelm Maag seine Stelle
am Realgymnasium verlor. Maag hatte eine Gruppe der katholischen Jugend an der
Doppelanstalt aufgebaut und war ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus.
Die SA besetzte das Naturfreundehaus auf dem Himmelreich; dies wurde in »Her-
mann-Göring-Haus« umbenannt und stand nun der SA zur Verfügung, in den Som-
merferien der HJ. Die Volksbücherei auf dem Zeiseiberg wurde von der Partei inspi-
ziert und nach verdächtiger Literatur überprüft. Später bewilligte der Gemeinderat
200 RM zur Anschaffung von NS-Literatur.
Schon früh trat die Judenfeindschaft des Nationalsozialismus zutage. Bereits vor
1933 hatten die Umzüge der SA auch in Gmünd mit gehässigen antisemitischen
Parolen geendet. Wohl gab es eine antisemitische Einstellung in mittelständischen
Kreisen, doch kann von einer verbreiteten Judengegnerschaft in Gmünd nicht
gesprochen werden. Im ganzen waren die Juden, eine kleine Minderheit von etwa 90
Personen, hier wohlgelitten. Als »Antwort auf die Greuelhetze des internationalen
Judentums« fand im Reich am 1. April 1933 ein Boykott jüdischer Geschäfte statt,
organisiert von dem als Judenhetzer bekannten Gauleiter Streicher. In Gmünd spiel-
te sich der Boykott nach Bericht der Rems-Zeitung folgendermaßen ab: »Um V2IO
Uhr setzte sich die SA und SS in Bewegung. Das einzige jüdische Kaufhaus (Meth,
die Namen werden in der Zeitung nicht genannt) und ein Herrenkonfektionsgeschäft
(Samuel Fuchs in der Bocksgasse) hatten beim Eintreffen der Kontrollposten bereits
geschlossen. Unter Zurücklassung von Doppelposten, die Flugblätter verteilten mit
der Aufforderung, nicht in jüdischen Geschäften zu kaufen, zogen die Nationalso-
zialisten auf den Marktplatz, wo vor einem Schokoladengeschäft (Czisch) und einem
Kleidergeschäft (Fuchs) Posten aufgestellt wurden.« Schließlich passierte noch eine
Panne bei der Aktion: Ein »rein christliches Unternehmen«, nämlich das Kaufhaus
Woha, wurde ebenfalls boykottiert. Obwohl das Geschäft entsprechende Plakate in
den Schaufenstern angebracht hatte, wurden die Posten erst nach einer Stunde abge-
zogen — so groß war der Haß gegen die Warenhäuser in den Kreisen der Partei. »An
allen jüdischen Geschäften«, so hieß es weiter in dem Bericht der Zeitung, »auch an
einer Privatbank (Gutmann & Naschold) und an den Gammundia-Fichtspielen
(Inhaber Alfred Meth) wurden Plakate mit der Aufschrift Jüdisches Unternehmern
angebracht. Nur einzelne Käufer gingen in die erwähnten Geschäfte und tätigten
kleine Einkäufe. Folgen zeigte dieses oppositionelle Vorgehen nicht.« Ein Jahr nach
 
Annotationen