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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0488
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Vom Kaiserreich über die Zeit der Weltkriege bis zur demokratischen Republik

dieser Aktion begann die Abwanderung der Gmünder Juden. Viele zögerten noch
Jahre vor diesem Schritt, weil sie einfach nicht wahrhaben wollten, daß für sie kein
Platz mehr in Deutschland sein sollte, ja, daß ihr Leben bereits in Gefahr war.
Der Fraktionsvorsitzende des Zentrums, Alois Mahringer, wurde im April durch ein
Untersuchungsverfahren, das gegen ihn wegen der Geschäftsführung der Siedlungs-
gesellschaft angestrengt wurde, politisch ausgeschaltet. Da das Verfahren weiterlief,
konnte er bei der Umbildung des Gemeinderats nicht mehr mitwirken. Später stellte
sich die Haltlosigkeit der Anschuldigungen heraus. Der Aufsichtsrat der Siedlungs-
gesellschaft wurde neu besetzt.
Die Umbildung des Gemeinderats erfolgte im April 1933. Ohnehin verlor der
Gemeinderat rasch an Bedeutung, da durch die Gemeindeordnung von 1935 das
Führerprinzip eingeführt wurde. Die einzelnen Stationen der Umbildung und
Gleichschaltung des Gemeinderats wollen wir hier nur in Umrissen skizzieren. Er
wurde zunächst neu gebildet nach dem Wahlergebnis bei der Reichstagswahl vom 5.
März 1933, wobei die auf die kommunistische Partei entfallenden Stimmen außer
Betracht blieben. Das Zentrum verlor dabei seine beherrschende Stellung, die Freie
Vereinigung verschwand, weil sie bei der Reichstagswahl ja nicht vertreten war, und
die Zahl der nationalsozialistischen Stadträte stieg gewaltig an, von zwei auf acht.
Diese Neubildung stellte einen tiefen Einbruch dar; eine Reihe bekannter Kommu-
nalpolitiker gehörte dem Gemeinderat plötzlich nicht mehr an: außer Mahringer und
Schall vom Zentrum waren auch Eisele und Frau Grimminger von der Freien Verei-
nigung sowie Gottlob Seitz von der SPD ausgeschieden. Neu in den Gemeinderat
zogen ein die Nationalsozialisten Alfons Baur, Dr. Rudolf Klenk, Karl Barth,
Albert Besson, Konrad Weber, Eugen Klozenbücher und Josef Wild. Die Kampf-
front Schwarz-Weiß-Rot vertrat für kurze Zeit der frühere Stadtpfleger Franz Xaver
Grieser. Es kam im weiteren Verlauf der Jahre 1933/34 zu wiederholten Veränderun-
gen in der Zusammensetzung. Die Vertreter des Zentrums wurden nach der Auflö-
sung ihrer Partei teilweise Hospitanten bei der NSDAP, ein Rest blieb in der Eigen-
schaft von Fraktionslosen noch eine Zeitlang im Gemeinderat. Ab Herbst 1934 war
dieser rein nationalsozialistisch. Unter den Nachrückern ragte Dipl.-Kaufmann Karl
Frey durch seine Sachkenntnis auf wirtschaftlichem Gebiet hervor. Die Welle der
Gleichschaltung erfaßte in diesen Monaten bald jeden Verband, jede Organisation, ja
jeden Verein, selbstverständlich auch jeden Wirtschaftszweig. Und wenn man bei-
spielsweise auf den Sachverstand einzelner Männer angewiesen war und sie deshalb
beließ, dann traten nationalsozialistische Vertreter in ein solches Gremium ein, mei-
stens gleich in führender Position. So wurde der mehrfach erwähnte Elektromonteur
Karl Barth, ein »alter Kämpfer«, Vorstandsvorsitzender der AOK. Der Chef der
Gmünder Polizei, Polizeirat Geiger, ein verfassungstreuer Beamter, wurde im Zuge
 
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