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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Editor]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0571
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Schwäbisch Gmünd von 1945 bis 1972

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Reiches, wie es bis 1945 bestanden hatte, also aus Schlesien, Pommern und Ostpreu-
ßen, sodann aus Teilen, die 1939 zum Reich geschlagen worden waren, also aus dem
Danziger Gebiet und aus Westpreußen. Alle die eben genannten Gebiete, mit Aus-
nahme des nördlichen Teils von Ostpreußen, standen nun unter polnischer Herr-
schaft. Ferner wurden die Deutschen ausgewiesen aus dem Staatsgebiet der Republik
Polen, wie sie bis 1939 bestanden hatte, aus dem Sudetenland und anderen Teilen der
Tschechoslowakei, weniger umfassend aus Ungarn, Jugoslawien und Rumänien. In
Gmünd wurden dann die Sudetendeutschen die stärkste Gruppe unter den Heimat-
vertriebenen, gefolgt von den Deutschen aus den Gebieten ostwärts von Oder und
Neiße und den Ungarndeutschen.30 Die alliierten Verlautbarungen sprechen von
einem »Transfer« der deutschen Bevölkerung, eine eher verhüllende Bezeichnung —
in Wirklichkeit handelte es sich in vielen Fällen um einen unmenschlichen Akt der
Vertreibung, der sich keineswegs in humaner Weise vollzogen hat.
Die ersten Züge mit den Vertriebenen wurden im Spätherbst 1945 angekündigt. Man
sprach damals von Flüchtlingen oder Ostflüchtlingen. Die Bezeichnung ist ungenau.
Wohl sind schon ab Herbst 1944 Millionen vor der herannahenden Roten Armee
geflohen und in Trecks nach Westen gezogen, keineswegs aber alle Deutschen, wie
Stalin auf der Konferenz von Potsdam behauptete. Die Geflüchteten dachten nicht
an den Verlust von Heimat, Haus und Hof; sie kehrten nach der Besetzung des Lan-
des teilweise wieder zurück, zum Beispiel nach Schlesien. Was aber jetzt in organi-
sierten Bahntransporten ankam, waren alles Menschen, die ihre Heimat unfreiwillig
verlassen hatten, also aus ihrer Heimat Ausgewiesene. Im Kreis Schwäbisch Gmünd
traf der erste Vertriebenentransport am 28. Oktober 1945 ein, und zwar am Bahnhof
Mögglingen. Er brachte Schlesier hierher, die im Kreisgebiet untergebracht wurden.
Am Bahnhof Gmünd traf der erste Transport am 25. Januar 1946 ein; er brachte
Ungarndeutsche hierher.31 Das ganze Jahr 1946 über gingen die Transporte weiter.
Da der Kreis Gmünd im Krieg wenig Zerstörung erfahren hatte, wurde er stark mit
Vertriebenen belegt. Am 31. Dezember 1949 betrug der Anteil der Heimatvertriebe-
nen an der Gmünder Bevölkerung 30,8 Prozent. Dadurch wurde die Bevölkerungs-
struktur der Stadt tiefgreifend verändert.
Die Flüchtlinge und Vertriebenen zunächst unterzubringen und sie mit dem Nötig-
sten an Hausrat zu versorgen, war Aufgabe des Flüchtlingskommissars und seiner
Mitarbeiter. Stadt und Kreis schufen miteinander ein Aufnahmeamt — Amt zur Auf-
nahme und Eingliederung der Ostflüchtlinge —, zu dessen Leiter Franz Czisch als
Flüchtlingskommissar bestellt wurde. Nachfolger von Czisch war ab Herbst 1946
Wilhelm Heibel. Aufnahmelager für die erste Unterbringung wurden in der Stadt
eingerichtet in der Hindenburg-Oberschule (heute Parler-Gymnasium), in der Jahn-
sowie in der Staatsturnhalle, im Christ-Königs-Heim (Paradiesstraße) und in den
 
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