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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Editor]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0572
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Vom Kaiserreich über die Zeit der Weltkriege bis zur demokratischen Republik

Schenk-Baracken. Zur Bewältigung dieser Aufgaben und der ungeheuren Nöte der
Nachkriegszeit war vom Arbeitsausschuß die Nothilfe gegründet worden; Frau Kä-
the Czisch übernahm die Leitung, ihre engste Mitarbeiterin war Frau Gabriele Mar-
tis. Die Nothilfe war die zentrale Kommandostelle zur Bekämpfung von Not und
Elend in jeder Form, eine Dachorganisation, die zu ihren Großaktionen wie Kleider-
sammlungen, Geldsammlungen u. a. die Flelferstäbe der Caritas, der Inneren Mis-
sion, der Volkshilfe (Arbeiterwohlfahrt) und des Roten Kreuzes mobilisierte.32 Ins-
besondere war die Nothilfe tätig beim Empfang der Transporte mit den Vertriebe-
nen, bei der Errichtung und Unterhaltung der Aufnahmelager. In den Räumen des
ehemaligen Lazaretts in der Gewerbeschule richtete sie ein Krankenhaus ein für ehe-
malige KZ-Häftlinge, Evakuierte und Heimatlose. In drei Wirtschaften, im »Fal-
ken«, im »Hasen« und im »Schlüssel«, schuf sie Wärmestuben, in den ersten Nach-
kriegswintern eine dringende Notwendigkeit.
Im August 1946 berichtete der Oberbürgermeister im Gemeinderat, daß Fabrikant
Sommer, ein Schweizer Staatsbürger, in seinem Haus in der Parierstraße ein Depot
des Schweizer Hilfswerks eingerichtet habe. Dieses versandte Liebesgaben zur Ver-
teilung in deutschen Notgebieten: Lebensmittel und lebensnotwendige Medikamen-
te, die damals in Deutschland kaum zu bekommen waren, zum Beispiel Insulin,
sowie Wäsche und Kleidungsstücke. Sommer hatte mit seiner Frau bereits mehrere
Transporte nach Deutschland gebracht.33
Da der Neubau von Wohnhäusern vor der Währungsreform praktisch nicht zustan-
de kam — zusätzlicher Wohnraum wurde allenfalls geschaffen durch Ausbau von
Dachgeschossen und Einrichtung von Behelfsräumen zu Notwohnungen —, mußten
all die Heimatlosen, die Flüchtlinge und Vertriebenen in die vorhandenen Wohnun-
gen eingewiesen werden. Es war das dornigste Problem, das in den nächsten Jahren
viel Gereiztheit und Spannungen entstehen ließ zwischen Einheimischen und Ver-
triebenen. Am 9. Februar 1946 hieß es im Amtsblatt, mindestens 15 000 Vertriebene
müßten im Kreis Schwäbisch Gmünd aufgenommen werden. Das Tempo der
Abtransporte im Osten war derart beängstigend, daß alle Durchgangslager im Land
überfüllt waren. Ein halbes Jahr später lautete das Aufnahmesoll bereits 18 000. Die
Stadt hatte 6184 Menschen aufzunehmen. Im Dezember 1952 zählte die Stadt ein-
schließlich der DDR-Flüchtlinge bereits 9705 Flüchtlinge und Vertriebene.
Unablässig erschienen im Frühjahr und Sommer 1946 die Appelle von Landrat und
Oberbürgermeister zur Unterbringung der Vertriebenen,34 es war die zentrale Auf-
gabe, die im Vordergrund allen Planens bei der Stadt und Kreisverwaltung stand.
Der Einweisung der Vertriebenen in die Privatwohnungen ging eine Wohnraumer-
fassung durch Beauftragte des Aufnahmeamtes voraus, die »mit Metermaß und Zoll-
stock« jeden bewohnbaren Raum in den Häusern ermittelten.35 Nach der Erfassung
 
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