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Enzweiler, Jo [Hrsg.]
Paul Antonius, Malerei, 1954 - 2005: Aufsätze und Werkverzeichnis ; [anläßlich der Ausstellung Paul Antonius. In ein Anderes Blau. Bildflügel, Saarland-Museum Saarbrücken, 26. August bis 9. Oktober 2005] — Saarbrücken, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.4363#0018
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nicht Gegenwärtiges bewußt. Aber im einen
Fall [beim Bild der Phantasie] haben wir als
Bild einen raumdinglichen Schein, im ande-
ren Fall als sogenanntes Bild nichts weniger
als einen Schein. Denn ein Schein ist ein
leibhaft gegenwärtig Vorstelliges, das doch
nicht als daseiend geglaubt wird, sondern
nur erscheint, als ob es da wäre."
Husserl vergleicht sodann das Phantasiebild
mit der Erinnerung: „Aber zur Erinnerung
gehört der Seinsglaube an das Erinnerte,
während das Fingierte nur bewußt ist im
Charakter, 'als ob' es wäre und so wäre.[...]"

Phantasie und Wirklichkeit

Ein wichtiges Thema ist für Husserl das Ver-
hältnis von Phantasie und Wirklichkeit.
„Es mag nun noch darauf hingewiesen
werden, daß Phantasie und Wirklichkeit sich
trennen, aber auch mischen können; oder
vielmehr, getrennt oder verflochten können
auftreten das Aktbewußtsein, durch welches
für mich Wirklichkeit gilt, als wahrgenomme-
ne, erinnerte, beurteilte, bewertete, han-
delnd gestaltete und andererseits das Aktbe-
wußtsein, in welchem fingierte Wirklichkeit
für mich, da ist, fingierte leibhafte Gegen-
wart, fingierte Vergangenheit, fingierte Ur-
teile, Wertsetzungen, Handlungen bewußt,
und dann in der geänderten Weise des 'als
ob' bewußt sind. Beispiele der Mischung
bieten alle Fälle des Hineinfingierens in die
mir wahrnehmungsmäßig gegenwärtige
oder sonstwie im Glauben bewußte Umwelt;
wie wenn ich mir fingiere, daß Nixen hier
vor uns einen Reigen aufführen, oder mir
allerlei Abenteuer fingiere, die mir auf einer
Wanderung durch einen tropischen Urwald
begegnen. Demgegenüber kann es offen-
bar, wie ein reines Wirklichkeitsbewußtsein
ohne Phantasie, so eine reine Phantasie ohne
mittätiges Wirklichkeitsbewußtsein geben.
Im letzteren Falle ist alles Wirklichkeitsbe-
wußtsein sozusagen außer Aktion. In einer
Selbstverlorenheit, in der nicht einmal mein
Leib und meine nächste wahrnehmungsmä-
ßige Umwelt die Gunst einer Beachtung, also
einer aktiv erfassenden und daseinsetzenden

Erfahrung gewinnen, lebe ich ganz in der
Welt des 'als ob', und all mein Wahrnehmen,
mein Vorstellen, Denken, Fühlen, Handeln ist
selbst ein Tätigsein im 'als ob': wie z.B. wenn
ich völlig traumverloren in den Urwaldaben-
teuern lebe, in all dem, was ich da Erstaunli-
ches sehe und höre, was mir da an Schreck-
nissen widerfährt. Dann sind die Phantasien
reine Phantasien, und ich selbst bin nur als
ich in der Phantasie in meinem Objektfelde.
Im anderen Falle dagegen, wo ich Wirklich-
keit nur umfingiere, und ev. dabei auch mich
selbst als Mittätigen in der fingierten Umwelt
fingiere, habe ich eben ein Gemisch, und
sofern ich selbst in die Phantasie hineinge-
höre, bin ich selbst ein Gemisch, nämlich
umfingiertes Ich, von dem ein Wirklichkeits-
bestand unberührt blieb.
Gehen wir nun zur phänomenologischen
Reduktion über. Wie alle sonstigen Akte, so
sind auch die Akte, in denen Phantasiegebil-
de, Dinge, Menschen, ich selbst als irgend-
wie tätiges Ich usw., im 'als ob' erscheinen,
ursprünglich naiv vollzogen, ev., aber auch
nach dem Vollzuge oder partiell während
desselben durch Ichspaltung von dem
reflektierenden Ich erfaßt und reflektives
Thema in verschiedener Art. Natürlich kann
ich auch hier mich als phänomenologischen
Betrachter, als rein an dem Erlebnis und
seinen intentionalen Beständen Interessierten
etablieren. Hier ergeben sich (...) merkwürdi-
ge Ineinanderschachtelungen für die zu leis-
tende phänomenologische Reduktion. Z.B.
fingiere ich mir eine Zentaurenlandschaft,
so soll die phänomenologische Reduktion
mir mein reines Akterlebnis ergeben, worin
die intentionalen Objekte rein als solche,
und genau wie sie da charakterisiert sind,
erfaßt und zur Kenntnis gebracht werden
sollen. Das sagt: Ich als Phänomenologe
fingiere eigentlich nicht, das tut das phäno-
menologisch betrachtete reflektierte Ich; ich
vollziehe nicht dasjenige Bewußtsein, in dem
solche Gegenstände mir im 'als ob' gelten.
Anders ausgedrückt; ich bin nicht das träu-
mende und an Erträumtes mich hingebende
Ich; sondern ich bin der Betrachter von Träu-
men und Erträumten, von Phantasieren und

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Omen

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