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Essig, Hermann
Ueberteufel: Tragödie in fünf Aufzügen — Berlin, [1912]

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https://doi.org/10.11588/diglit.27657#0029
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Oberst. Warum geschieht dem Armen solches Unrecht?
Keines von den Seinen gehört ihm an. Daß natürlich seine
Frau einen abscheulichen Absagebrief auf seine freudetränenden
Zeilen schrieb, und einen frechen die Selma, war ja klar. Aber
daß auch sein Karl kein Herz mehr für ihn hat! Vielleicht
Mariechen.

Karl. Obersh ich werde ja sehen, aber mein Herz zerreißt
es mir. Wieder so ein Punkt, wo eine grausame Entscheidung
kostet. Können denn Vater und Mutter nicht zusammenleben?
Jch wußte bis jetzt von gar keiner gegenseitigen Aussprache der
Eltern.

Oberst. Von Jhrer Mutter werden Sie niemals was er-
fahren. Aber Jhre Frau Mutter hat sich hinten herum schon
ausgesprochen.

Karl. Was haben Sie denn immer mit meiner Mutter?
Sie kennen sie gar nicht; wie sie gesinnt ist.

Oberst (zieht einen Brief ans der Tasche). Wenn Jhre Mutter
schreibt (er liest): „Jch werde mich wohl in deinen dreckigen Käsig
einsperren lassen, mir behagt das Gefängnis nicht, deine bis-
herige Villa, du trauriges Mannsbild, das nichts kann, höchstens
betrügen. Jch wollte einen Mann, der Ansehen genießt, und
keinen Zuchthäusler. Da könnte jeder Latrinenreiniger inich zu
seinen Zwecken begehren wollen. Ja, wenn ich eine Hutzel wäre,
aber ich weiß, daß ich eine der schönsten Frauen innerhalb der
Ringbahn bin, man hat es mir gesagt, sehr viele edle Herren.
Du hast während unserer Ehe nicht einmal meiner Schönheit
Genüge getan. Wie werd ich? Leb wohl bei deinem alten Jakob
nuivmoro Dreizehn."

Karl. Wohnt der Vater dort?

Oberst. Sie haben gut aufgemerkt. — Hat Jhre Mutter
noch ein Fleckchen Anstand?

Karl. Man muß sie gewesen sein, um urteilen zu können.
Sie ist natürlich ganz an ihm verzweifelt, sie hielt „ihren Lothar"
für den besten Menschen, und Papa war so.

Oberst. Aber Sie werden doch die Anspielung mit den
„edlen Herren" begreisen? Und keine Befriedigung, wenn man
drei Kinder gezeugt bekam! Und ihr seht Lothar alle dreie
gleich. So eine Frau isi eine S . .

Karl. Sie erlauben sich zuviel, das ist meine Mutter
nicht. Durch Sie wäre ich beinahe Schuldiger an einem Selbst-
 
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