und Geschichte auseinandergeschoben: der mächtige Meergott gebietet seinen Rossen
und schickt die Winde oben voran, und zwischen beiden sind die Galeeren auf ihrer Fahrt,
genaue Abbilder der schwerfälligen Mittelmeerschiffe jener Tage, mit den Kanonen an der
Front, den Reihen der Ruderer, und hinten der „Poppa", der Prunklaube, in der der Kapitän
und die Ehrengäste ihren Aufenthalt hatten^). Eigentlich, den Traditionen der Architek-
tur gemäß, hätten diese geschichtlichen Bilder in den Durchgängen der Bogen, innen an den
Seitengewänden, angebracht sein müssen, wie es sämtliche Bogen von 1599 noch deutlich
zeigen. Aber darin war eine Verbilligung vorgenommen, oder auch: war ein Stilwandel vor-
gefallen: die Bogen und Schauwände des Rubens-Einzuges waren nicht mehr tief, hatten
keine Innengewände und keine tonnengewölbten Durchgänge mit Deckenbildern mehr, sie
waren nur auf die perspektivischen Vorder- und Rückansichten eingerichtet. Wenn man das
weiß, wird man in dem Entwurf dieser „Gratulatio" noch die Formen eines Propugnaculums,
eines Ehrenhofes nachwirken sehen, mit den Wänden seitlich und der Torwölbung zwi-
schen beiden, die von einer Fassettierten Decke überwölbt sein sollte, alles ins Flache und
Schaubare verwandelt. Im Tympanon dieser Tonne schwebte die Figur der Hoffnung (Bonae
spei sacrum); über ihr kamen noch die Ruhmesgöttinnen mit dem belgischen Löwen und
dem habsburgischen Adler und die Palme mit dem Gewicht des Steines, unter dem sie der
Allegorie zufolge desto kräftiger wächst. Die Gewändestatuen seitlich waren „Die öffent-
liche Freude" links und der „Genius der Stadt Antwerpen" rechts; am Sockel unten spielten
Kinder, die erwünschten glücklichen Jahre (Sperata temporum felicitas); und in die Mitte
eingehängt war das Velum, das Prunktuch, mit der Begrüßung des Infanten selber, der
durch die Niederlande mit dem Löwen ehrfurchtsvoll begrüßt, von Mars Gradinus, der
Virtus und Fortuna geleitet und von der Viktoria umschwebt wurde. Die Kadaver der be-
siegten Schweden und die schlangenzüngelnde Zwietracht fehlten nicht. Ein derartiges Bild
gab es in jedem Einzug und in jeder Stadt.
Hergestcllt war alles in Zimmermannswerk, und die Rechnungen darüber liegen noch vor.
Oben bei der Balustrade mußte die Schauwand eine zugängliche Plattform haben, so daß
von diesem und allen weiteren Werken echte Herolde, Posaunenbläser und Musikkapellen
den Fürsten bejubeln konnten. Die Architekturteile, wie Gebälke und Kapitelle, auch Säulen,
waren massiv in Holz gehauen und eingesetzt. Die Gemälde waren eingespannt. Die ausfah-
renden Aufsätze oben waren auf Bretter gemalt und ihren Umrissen entsprechend ausgesägt.
Niemand wird diese Architekturen verstehen, der in ihnen nach Wohnbarkeit oder Raum-
ordnung sucht. Sie sind vielmehr mit üppigster Phantasie zusammengestellt aus allen Ein-
zelteilen der rangschaffenden Architektur, aus Säulenordnungen mit Gebälken und Giebeln
und Bogen, aus Bossenringcn und Balustraden, Konsolen und Sockeln, aus Medaillons, Ni-
schen, Wappen. Kartuschen, Trophäen, Standarten, aus Voluten, Girlanden und Putten,
aus Sphinxen und Harpyen, aus Kandelabern und Karyatiden, aus Aufzugsbildern und Ge-
wändestatucn und Akrotcrien. Wer genau zusicht, wird immer zu seinem Erstaunen finden,
daß alles klar auseinandergehalten ist, daß immer dem Holzbildhauer gesagt werden konnte:
sechzehn Kartuschen von dieser Form und vierundzwanzig Kapitelle von jener Form, und
soundsoviele Girlanden soundsolang, und wie dann alles zusammengesetzt ist und zu-
sammenpaßt. Der Reichtum beruht einerseits in der unbeschreiblichen Freiheit, mit der alle
Elemente der Architektur durcheinandergewirbclt und in ihrer Form verändert sind, und
andrerseits in der ebenso unbeschreiblichen Sicherheit, mit der die verborgenen Gesetze der
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und schickt die Winde oben voran, und zwischen beiden sind die Galeeren auf ihrer Fahrt,
genaue Abbilder der schwerfälligen Mittelmeerschiffe jener Tage, mit den Kanonen an der
Front, den Reihen der Ruderer, und hinten der „Poppa", der Prunklaube, in der der Kapitän
und die Ehrengäste ihren Aufenthalt hatten^). Eigentlich, den Traditionen der Architek-
tur gemäß, hätten diese geschichtlichen Bilder in den Durchgängen der Bogen, innen an den
Seitengewänden, angebracht sein müssen, wie es sämtliche Bogen von 1599 noch deutlich
zeigen. Aber darin war eine Verbilligung vorgenommen, oder auch: war ein Stilwandel vor-
gefallen: die Bogen und Schauwände des Rubens-Einzuges waren nicht mehr tief, hatten
keine Innengewände und keine tonnengewölbten Durchgänge mit Deckenbildern mehr, sie
waren nur auf die perspektivischen Vorder- und Rückansichten eingerichtet. Wenn man das
weiß, wird man in dem Entwurf dieser „Gratulatio" noch die Formen eines Propugnaculums,
eines Ehrenhofes nachwirken sehen, mit den Wänden seitlich und der Torwölbung zwi-
schen beiden, die von einer Fassettierten Decke überwölbt sein sollte, alles ins Flache und
Schaubare verwandelt. Im Tympanon dieser Tonne schwebte die Figur der Hoffnung (Bonae
spei sacrum); über ihr kamen noch die Ruhmesgöttinnen mit dem belgischen Löwen und
dem habsburgischen Adler und die Palme mit dem Gewicht des Steines, unter dem sie der
Allegorie zufolge desto kräftiger wächst. Die Gewändestatuen seitlich waren „Die öffent-
liche Freude" links und der „Genius der Stadt Antwerpen" rechts; am Sockel unten spielten
Kinder, die erwünschten glücklichen Jahre (Sperata temporum felicitas); und in die Mitte
eingehängt war das Velum, das Prunktuch, mit der Begrüßung des Infanten selber, der
durch die Niederlande mit dem Löwen ehrfurchtsvoll begrüßt, von Mars Gradinus, der
Virtus und Fortuna geleitet und von der Viktoria umschwebt wurde. Die Kadaver der be-
siegten Schweden und die schlangenzüngelnde Zwietracht fehlten nicht. Ein derartiges Bild
gab es in jedem Einzug und in jeder Stadt.
Hergestcllt war alles in Zimmermannswerk, und die Rechnungen darüber liegen noch vor.
Oben bei der Balustrade mußte die Schauwand eine zugängliche Plattform haben, so daß
von diesem und allen weiteren Werken echte Herolde, Posaunenbläser und Musikkapellen
den Fürsten bejubeln konnten. Die Architekturteile, wie Gebälke und Kapitelle, auch Säulen,
waren massiv in Holz gehauen und eingesetzt. Die Gemälde waren eingespannt. Die ausfah-
renden Aufsätze oben waren auf Bretter gemalt und ihren Umrissen entsprechend ausgesägt.
Niemand wird diese Architekturen verstehen, der in ihnen nach Wohnbarkeit oder Raum-
ordnung sucht. Sie sind vielmehr mit üppigster Phantasie zusammengestellt aus allen Ein-
zelteilen der rangschaffenden Architektur, aus Säulenordnungen mit Gebälken und Giebeln
und Bogen, aus Bossenringcn und Balustraden, Konsolen und Sockeln, aus Medaillons, Ni-
schen, Wappen. Kartuschen, Trophäen, Standarten, aus Voluten, Girlanden und Putten,
aus Sphinxen und Harpyen, aus Kandelabern und Karyatiden, aus Aufzugsbildern und Ge-
wändestatucn und Akrotcrien. Wer genau zusicht, wird immer zu seinem Erstaunen finden,
daß alles klar auseinandergehalten ist, daß immer dem Holzbildhauer gesagt werden konnte:
sechzehn Kartuschen von dieser Form und vierundzwanzig Kapitelle von jener Form, und
soundsoviele Girlanden soundsolang, und wie dann alles zusammengesetzt ist und zu-
sammenpaßt. Der Reichtum beruht einerseits in der unbeschreiblichen Freiheit, mit der alle
Elemente der Architektur durcheinandergewirbclt und in ihrer Form verändert sind, und
andrerseits in der ebenso unbeschreiblichen Sicherheit, mit der die verborgenen Gesetze der
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