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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0134
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i

Peitsche, welche die in Tunika und Chlamys gekleideten Knaben oder Genien nebst
dem Kranz darbringen, ziemt wohl dem Sieger der Arena, aber nicht einem kaiserlichen
Triumphator.

Ein wichtiges Argument zur Zeit* und Ortsbestimmung bilden die zwei gleich den
Peitschenträgern vortrefflich gezeichneten Knaben vor der Quadriga, mit Säcken über den
Schultern, aus denen sie Münzen auf ein Postament ausschütten. Diese Gruppe ist ein
typisches Symbol der Freigebigkeit auf oströmischen Konsulardiptychen der ersten Hälfte des
6. Jahrhunderts (vgl. Abb. 39 u. 82).]) Es ist ein rein byzantinisches Motiv, das der Muster*
Zeichner nur den Diptychen entlehnt haben kann. Mit der Aufhebung des Konsulats durch
Kaiser justinian im Jahr 541 schließt die Reihe der Konsulardiptychen ab. Daraus ergibt
sich die Datierung des Stoffes um die Mitte des 6. Jahrhunderts; viel älter kann er nicht
sein, weil das Ornament der Kreisbänder den alexandriner Seidengeweben von der Art
des Verkündigungsstoffes nachgebildet ist. Die Herzblüten nebst ihren Knospenpaaren sind
deutlich wiederholt und die Zeichnung in den kleinen Verbindungskreisen entspricht ziem?
lieh genau dem Amazonenstoff aus Säkkingen (s. T. 8, Abb. 70). Da die Herzblütenborte
gemäß ihrer Abstammung vom Lotusornament ägyptische Erfindung ist, liegt die Nach?
bildung auf Seiten des byzantinischen Webers. Dafür spricht ja auch die Vereinfachung
und Vergröberung, sowie das Weglassen der Einfassungsornamente, auf welche die ägyp?
tischen Weber nie verzichtet hatten.

Mit den gegenständigen Steinböcken in den Zwickeln meldet sich der persische Ein?
schlag an, dem Byzanz schon sehr früh und viel bereitwilliger als Alexandria Aufnahme
gewährt hatte. Man kann diese Tatsache am besten von den oströmischen Goldarbeiten
mit Zellenverglasung ablesen, einer Zierkunst, die in Persien mit den achaemenidischen Arm?
bändern des Oxusschatzes2) schon im 4. vorchristlichen Jahrhundert auftritt. Konstantinopel
war der Erbe und Fortsetzer jener Kolonialkunst der griechischen Siedlungen am Schwar?
zen Meer, der ein Jahrhunderte währender Verkehr mit Skythen und Parthern orientalische
und insbesondere persische Elemente in Mengen zugetragen hatte.3) Diese Richtung, die
zu Anfang des Mittelalters in der griechisch?persischen Mischkunst der Goldgefäße aus
Groß S. Miklos gipfelt, hat in Byzanz fortgewirkt und auch die Seidenweberei für persische
Formen sehr empfänglich gemacht.

Von den Alexandriageweben unterscheidet sich der Quadrigastoff durch den großen
Maßstab des Musters und durch die Farbenwahl. Unsere Tafel 13 gibt den Stoff in halber
Größe; am Original beträgt der Durchmesser des Kreisfeldes mit der Einfassung 66 cm. Zu
solchen Kolossalmustern haben sich die Weber Ägyptens nicht verstiegen; das größte Muster
der Alexandriagruppe, die Verkündigung, bleibt um mehr als die Hälfte dahinter zurück.
An Stelle der Buntheit ist die Zweifarbigkeit getreten; das Muster steht dunkelgelb1) auf
tiefblauem Grund, der zu den in Byzanz so hochgeschätzten Purpurfarben gehört. Die
echte Purpurfärberei, die aus mehreren Arten der Purpurschnecke ihre Farbstoffe gewann,
war im Altertum der Stolz von Tyrus und Sidon gewesen, blieb aber keineswegs auf Syrien
begrenzt. Seit dem Aufkommen der Seidenweberei wurde sie in Konstantinopel mit be?

') Beispiele das Clementinusdiptychon von 513 in Liverpool, Venturi I flg. 338; das Magnusdiptychon
von 518, Molinier Ivoires S. 26; das Orestesdiptychon von 530 im S. Kens. Museum; das Justinusdiptychon
von 540 im K. Friedrich Museum.

2) Dalton, The treasure of the Oxus T. 16.

:i) Vgl. die zutreffenden Ausführungen von Hampel, Der Goldfund von N. S. Miklos S. 124.

') Das Gelb ist aus ursprünglichem Rot verblichen. Die Zusammenstellung von Rot und dunklem,
zuweilen fast schwarzem Blau war in Byzanz bevorzugt. Die Berliner Stoffsammlung bewahrt aus dem
6.Jahrh. einen unvollständigen Stoff mit springenden Pferden; von Herzblütenborten umzogen, rot auf blauem
Grund. Eine ähnlich düstere Farbenwahl zeigt das Bruchstück eines byzantinischen Quadrigastoffes im Dom
zu Halberstadt; hier steht das Muster grün auf schwarz.

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