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glatt geschliffen bald gewetzt,
henkt ihr mich doch nicht."

„Es wäre ein Thun," meinte der Richtern „und meine
Herrn würden für dich heillosen Strolch keinen eigenen Galgen
zimmern lassen, wenn überhaupt vom Henken die Rede wäre."

Da schrie der Xaveri: „Was, ihr wollt mir den Kopf
abschlagen? An den Galgen will ich, da gehör' ich hin. Mein
Vater hat mir's immer verheißen, mein Mütterle hat mir's
vermacht, und ich war' sonst auch längst ersoffen. Mein erster
Schatz war eines Seilers Tochter, mit ihrer Schwester will
ich Hochzeit halten."

Es kostete viele Mühe, den bösen Buben zum Schweigen
zu bringen, daß er sein Uriheil anhöre, das ihn um eines
doppelten Raubmordes willen zum Rad von unten auf ver-
dammte. Damals galt noch überall das Radbrechen, und ihr
werdet wohl vernommen haben, wie's ungefähr dabei zuging;
der Henker zerschlug dem armen Sünder Arm' und Bein'.
Nur in Preußen allein hat sich dergleichen in unfern Tagen
noch zugetragen, es ist keine sieben Jahre her, und wer kann
wissen, wie bald es wieder vorkommt*)? Mit dem Xaveri
ging die Welt um und um, als er vom Rädern vernahm.
Ter Richter warf ihm den zerbrochenen Stab vor die Füße,
schrie Zeter und Wehe über ihn und rief den Freimann, daß
er den Verurtheilten hinwegnehme, um zu thun an ihm, was
Rechtens. Der war alsbald zur Hand, und befahl seinen
Knechten, den armen Sünder zu knebeln. Dem redeten indes-
sen der Blutrichter und der Galgenpater ganz beweglich zu:
er möge jetzo in Angesicht des Todes, und bereit, vor den
ewigen Richter zu treten, seine Helfer bei der That nennen.
Er schnauzte sie a6: „Geschwätzwerk und kein End'. Bin ich
nicht Manns genug, so ein paar armselige Landfahrer abzu-
fangen? Wür' wohl der Mühe werth gewesen, um der zehn
oder zwölf Neuthaler willen selbander zu kommen oder gar zu
dritt. Ich Hab' eure Folter ausgestanden, und ihr dürft mir
wohl zutrauen, daß es mir nicht an Herzhaftigkeit und nicht
an Stärke fehlt."

Dem Muckele trat bei diesen Worten das Herz auf die
Zunge. „Bigott," ries er aus: „der verzweifelte Kerl wär'
auch für ihrer drei genug, obschon wir ihn oft gewichst
haben." —

„Still da unten," mahnte derWaibel. Der Beuermer aber
stieß seinen Gespann in die Seite und raunte ihm zu: „O du
leiser Ueberlaut, denfft du schon wieder mit dem Maul?"

Voll Schrecken verstummte der Steinbacher, aber es war
zu spät. Der Bademer hatte sich nach den beiden umgeschaut,
sie auf den ersten Blick erkannt, und ein arger Einfall stieg in
ihm auf. Die Erinnerung an die Prügel ärgerte ihn, der so
schon ein Boßnickel und Giftmichel war. Drum fuhr er ganz
leise in seiner Rede fort, so daß kaum der Richter und der

*) Der Altgesell wird wohl irren. Gewiß ist der Mörder des
Bischofs von Ermeland nur darum gerädert worden, um die Abschaf-
fung der Strafe des Radbrechens auch aus dem Gesetzbuch vorzubereilen.

Anm. d. Eins.

Geistliche sein Wort vernahmen: „Wenn den Herrn aber gar
so viel daran liegt, meine Spießgesellen zu wissen, so könnt
ich's für Geld und gute Worte schon sagen."

„Was willst du mit dem Geld?"

„Mich vom Rad loskaufen."

„Du bist nicht feil."

„Bielleichtdoch, wenn ich den Galgen mit in den Kauf nehme." |
Ter Vorschlag ließe sich hören, meinten die Herrn vom
Rath, und wurden richtig handelseins mit dem armen Sünder,
daß sie ihm acht Tage Frist schenken, und ihn vom Rad zum
Strang begnadigen wollten. Voll Neugier schaute das Volk
zum Gerüst empor und fragte sich, was die geheimnißvolle
Verhandlung wohl bedeute? Dem Nepomuck aber sammt seinem
Begleiter ging das Grausen dabei auf. Zwar hatten sie das
sauberste Gewissen, aber sie kannten die boshafte Sinnesart
des Bademers, und wären lieber durchgebrannt, tvenn sie sich
vom Fleck hätten rühren können."

Jetzt sprach Xaver ganz laut zu den Herrn: „Dumm genug
seid ihr, das muß wahr sein. Merkt ihr nicht, wenn einer
sagt, daß ich leicht ihrer drei erschlüge, weßhalb er so schwätzt?
Die zwei Lumpen dort, der Halberstunger-Muck und derGrafen-
Naz haben mir geholfen und wollen's doch nicht sein."

„Greift sie, fangt sie," schrie das Volk, und es gab ein
fürchterliches Halloh. Gegriffen und gefangen waren die armen
Schlucker so schon, auch mehr tobt als lebendig. Gewiß wären
sie zerquetscht oder zertreten worden, hätten die Hatschiere
sie nicht gepackt und in den Ring gezogen. So wurde sel-
bigen Tag der Bademer nicht gerichtet, aber die Leute murrten
nicht darüber; hatten sie doch sonst genug zu schwätzen, und
wenn ihnen für dasmal die große Ergötzung und Unterhalt-
ung entging, war es nicht Ersatz genug, daß sie statt des
einen armen Sünders in kurzer Frist ihrer drei sollten ab-
thun sehen? So etwas ist schon des Wartens werth.

Die zwei Küfer lagen im Thurm, und es erging ihnen
hinderlich, obschon sie eigentlich keine lange Weile hätten zu
spüren brauchen. Alle Fingerslang hatten sie Besuch oder wur-
den zum Besuch geführt. Die vornehmsten Herrn aus der Stadt
redeten ihnen zu, gütlich zu bekennen, daß sie mit dem Xaver
die zwei Krämer auf der Landstraße erschlagen. Sie Ivollten
dagegen zu selber Zeit just zu Lindau gewesen sein, oder zu
Kempten. Das half alles nichts. Um nach Lindau oder Kempten
zu schreiben, war die Zeit viel zu kurz, weil in acht Tagen
alles fertig sein sollte. Es wär' auch übel gewesen, den Räuber
ohne seine Gesellen hinauszuführen; aber eben so schlimm, ihn
über die gegebene Frist am Leben zu laffen. Da gab's denn
Risse und Schmisse nach Noten, und unter dem Farrenschwanz
bekannten die Gefangenen, was der Richter nur zu hören ver-
langte. Sie hätten sich schuldig bekannt, den Mond gestohlen
zu haben, so satt waren sie der Prügel, so überdrüßig des
Hungers, des Durstes und der übrigen Martern. Kurz: das
Leben war ihnen verleidet, und so machten sie sich nicht viel
draus, dem Henker Kopf und Schopf zu lassen.

lFortsetzung folgt.)

Des Altgesellen Erinnerungen und Einfälle.
Höher als an den Galgen

5*
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