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Das Schönheirs pflästerchen. K5@=^’
kas Sdjlojj ruhte. Es war gestern über den Schäfersxielen
spät geworden. Die durchlauchtigsten Herrschaften hatten
noch nicht ausgeschlafen und niemand wagte, ihren
Schlummer durch ein Geräusch zu stören.
Nur der Hofjunker Lhevalier Amadeus von der Nas trieb
sich bereits im Park herum. Die graziöse Baronesse Liselotte von
Amorcttental ging ihm nicht aus dein Kopf. Sie war gestern
eine so scharmante Doris gewesen — ad), und sie hatte ihn als
ihren philemon hinter den Kulissen mit so ausgesuchter schelmischer
Bosheit gequält, daß er die ganze Nacht durchseufzte. Jetzt schritt
er unruhig auf den wohlgepflegten Pfaden hin und her und
stand, aus einem Boskett kommend, plötzlich vor einer Marmor-
bank, auf der — Liselotte saß.
„Wie?" rief Amadeus entzückt. „Es ist kein Traum? Sie
selbst? Dank Dir, Auroren, die mich schon so früh der Göttin
meines Herzens entgegenführt!"
„O mon Dieu!" lispelte die Baronesse. Sie war natürlich nur
durch Zufall schon so zeitig in den Park geraten. „Welch ein
Skandal, wenn man uns zu dieser Stunde allein hier beisammen
sehen würde . . ganz ohne Anlaß . . "
„Ganz ohne Anlaß? Grausamste Tyrann!»! Als ob Sic
nicht wüßten, wie ich für Sie glühe . ."
„Ei, ei! Ehevalier!" spottete sie, nicht ohne eine gewisse
Bitternis im Ton. „Ihre Glut würde sehr rasch erlöschen, wenn
Demoiselle Nanon de Beaujour er-
schiene! Wo sie weilt, sieht der
Lhevalier keine andere Sterbliche!"
„Parole d’honneur! Ein schweres
Unrecht!" ries Amadeus. „Was sind
die Reize der flüchtigen Artemis gegen
Aphroditens Götterglanz!"
„Pardon! Pardon!" lächelte Lise-
lotte boshaft. „Seitdem die Reize
der flüchtigen Artemis durch ein raffi-
niert kokettes Schönheitspflästerchen auf
der rechten Wange vermehrt wurden,
haben sämtliche Messieurs nur noch
Augen für sie — sogar Seine Durch-
laucht blinzelten gestern durch Hochdero
Pincenez zu wiederholten Malen nach
dieseni infamen Pflästerchen herüber,
so daß die Frau Dbersthofmeisterin
beinahe aus der contenance fielen!"
„Aber ich blinzelte nicht I" rief der
Lhevalier beteuernd. „Ich nicht, Köni-
gin der Grazien! Was gilt mir dieses
pflästerchen? Was mir seine Trägerin?
Ja, ich schwöre es — das soll meiner
Treue Probe sein — wenn es Euch
geniert, noch heute werde ich durch
List diesen Stein des Anstoßes zu ent-
fernen wissen . ."
Da nahten Schritte. Die Frau
Dbersthofmeisterin, die strenge uni den
guten Ton besorgt war, wandelte früh-
morgens durch den park, und der
Lhevalw" verschwand diskret hinter deni
Taxus, lvi. md Baronesse Liselotte sich
emsig in die duftenden Dden des Lieblingspoeten Ihrer Durchlaucht
versenkte.
Die Dbersthofmeisterin konstatierte dieses Studium mit Be-
friedigung und setzte ihre Aufsichtspromenade fort. Knicksend und
lachend kreuzte indessen dabei alsbald Meister Bepxo, der buckelige
Hofnarr, ihren Weg. „Ich weiß das Neueste!" wisperte er.
„Eine ganz scharmante Historie! Beute abend bei der italienischen
Nacht wird ein gewisser hübscher Lhevalier ans ein gewisses be-
zauberndes Schönheitspflästerchen einer gewissen reizenden Dame
ein gewisses hinterlistiges Attentat verüben . ."
„Mas schwatzt Er da für Unsinn!" sagte die Dbersthofmeisterin
würdevoll, aber brennend vor Neugier. Doch er war bereits
wieder meckernd im Gebüsch verschwunden und ließ sie mit ihrem
Wissensdurst allein. Eine Minute umwölkte sich ihre Stirne.
Dann aber plötzlich heiterten sich ihre Züge auf. Sie nahm einen
Elfenbeinspiegel ans ihrem Pompadour, betrachtete eine Weile
sinnend ihr volles rosiges Gesicht im schneeigen Rahmen der Puder-
perücke, lächelte dann siegesbewußt und schritt in gehobener Stim-
mung ihres Weges.
Meister Bexpo, der sich einen besonderen Spaß davon ver-
sprach , das halberlauschte Gespräch des Lhevaliers und der
Baronesse in seiner Art auszubeuten, war indessen eifrig am
Werke, sein strenges Geheimnis unter tausend Siegeln der Ver-
schwiegenheit möglichst vielen anzuvertrauen. Bis anl Abend war
Das Schönheirs pflästerchen. K5@=^’
kas Sdjlojj ruhte. Es war gestern über den Schäfersxielen
spät geworden. Die durchlauchtigsten Herrschaften hatten
noch nicht ausgeschlafen und niemand wagte, ihren
Schlummer durch ein Geräusch zu stören.
Nur der Hofjunker Lhevalier Amadeus von der Nas trieb
sich bereits im Park herum. Die graziöse Baronesse Liselotte von
Amorcttental ging ihm nicht aus dein Kopf. Sie war gestern
eine so scharmante Doris gewesen — ad), und sie hatte ihn als
ihren philemon hinter den Kulissen mit so ausgesuchter schelmischer
Bosheit gequält, daß er die ganze Nacht durchseufzte. Jetzt schritt
er unruhig auf den wohlgepflegten Pfaden hin und her und
stand, aus einem Boskett kommend, plötzlich vor einer Marmor-
bank, auf der — Liselotte saß.
„Wie?" rief Amadeus entzückt. „Es ist kein Traum? Sie
selbst? Dank Dir, Auroren, die mich schon so früh der Göttin
meines Herzens entgegenführt!"
„O mon Dieu!" lispelte die Baronesse. Sie war natürlich nur
durch Zufall schon so zeitig in den Park geraten. „Welch ein
Skandal, wenn man uns zu dieser Stunde allein hier beisammen
sehen würde . . ganz ohne Anlaß . . "
„Ganz ohne Anlaß? Grausamste Tyrann!»! Als ob Sic
nicht wüßten, wie ich für Sie glühe . ."
„Ei, ei! Ehevalier!" spottete sie, nicht ohne eine gewisse
Bitternis im Ton. „Ihre Glut würde sehr rasch erlöschen, wenn
Demoiselle Nanon de Beaujour er-
schiene! Wo sie weilt, sieht der
Lhevalier keine andere Sterbliche!"
„Parole d’honneur! Ein schweres
Unrecht!" ries Amadeus. „Was sind
die Reize der flüchtigen Artemis gegen
Aphroditens Götterglanz!"
„Pardon! Pardon!" lächelte Lise-
lotte boshaft. „Seitdem die Reize
der flüchtigen Artemis durch ein raffi-
niert kokettes Schönheitspflästerchen auf
der rechten Wange vermehrt wurden,
haben sämtliche Messieurs nur noch
Augen für sie — sogar Seine Durch-
laucht blinzelten gestern durch Hochdero
Pincenez zu wiederholten Malen nach
dieseni infamen Pflästerchen herüber,
so daß die Frau Dbersthofmeisterin
beinahe aus der contenance fielen!"
„Aber ich blinzelte nicht I" rief der
Lhevalier beteuernd. „Ich nicht, Köni-
gin der Grazien! Was gilt mir dieses
pflästerchen? Was mir seine Trägerin?
Ja, ich schwöre es — das soll meiner
Treue Probe sein — wenn es Euch
geniert, noch heute werde ich durch
List diesen Stein des Anstoßes zu ent-
fernen wissen . ."
Da nahten Schritte. Die Frau
Dbersthofmeisterin, die strenge uni den
guten Ton besorgt war, wandelte früh-
morgens durch den park, und der
Lhevalw" verschwand diskret hinter deni
Taxus, lvi. md Baronesse Liselotte sich
emsig in die duftenden Dden des Lieblingspoeten Ihrer Durchlaucht
versenkte.
Die Dbersthofmeisterin konstatierte dieses Studium mit Be-
friedigung und setzte ihre Aufsichtspromenade fort. Knicksend und
lachend kreuzte indessen dabei alsbald Meister Bepxo, der buckelige
Hofnarr, ihren Weg. „Ich weiß das Neueste!" wisperte er.
„Eine ganz scharmante Historie! Beute abend bei der italienischen
Nacht wird ein gewisser hübscher Lhevalier ans ein gewisses be-
zauberndes Schönheitspflästerchen einer gewissen reizenden Dame
ein gewisses hinterlistiges Attentat verüben . ."
„Mas schwatzt Er da für Unsinn!" sagte die Dbersthofmeisterin
würdevoll, aber brennend vor Neugier. Doch er war bereits
wieder meckernd im Gebüsch verschwunden und ließ sie mit ihrem
Wissensdurst allein. Eine Minute umwölkte sich ihre Stirne.
Dann aber plötzlich heiterten sich ihre Züge auf. Sie nahm einen
Elfenbeinspiegel ans ihrem Pompadour, betrachtete eine Weile
sinnend ihr volles rosiges Gesicht im schneeigen Rahmen der Puder-
perücke, lächelte dann siegesbewußt und schritt in gehobener Stim-
mung ihres Weges.
Meister Bexpo, der sich einen besonderen Spaß davon ver-
sprach , das halberlauschte Gespräch des Lhevaliers und der
Baronesse in seiner Art auszubeuten, war indessen eifrig am
Werke, sein strenges Geheimnis unter tausend Siegeln der Ver-
schwiegenheit möglichst vielen anzuvertrauen. Bis anl Abend war
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Schönheitspflästerchen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1910
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1920
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 132.1910, Nr. 3381, S. 245
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg