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A»s dem Briefsacke des Paquetschiffes „Seeschlange."

nach Belieben stehlen, und was die Schweinezucht anbetrifft,
so hat die ihre ganz besonderen Schwierigkeiten, denn wenn
die Sauen im Walde werfen, und man liegt nicht ewig da-
hinter her und lockt die kleine Brut wie die Alte mit Händen
voll Mais, so werden sie wild wie die Hirsche und der Böse
mag sie dann haschen, wenn er sie haben will. Auch das Land
ist, wenn auch gut, doch schwer zu bearbeiten — die Bäume
sind gar so stark und stehn zu dicht und die Stümpfe so
drausscn int Feld zu lassen, daß man mit dem Pflug zwischen
lauter Holz und Wurzeln heruniackert und Vieh und Menschen
halb zu Tode schindet, das ist eine Wirthschafl, wie sie einen,
ordentlichen Oekonomen nicht zusagt. Der Dünger wird eben-
falls nicht beachtet und die liebe Gottes-Gabe bleibt wild
zerstreut im Walde herum.

Auch mit der Viehzucht ist's schlecht, man weiß nie wo
sein Vieh steckt, alle Augenblick hat Wolf oder Panther ein
Stück und die Schaafe — na die wünscht ich, daß Du die
einmal sehen könntest, wenn sie, die ganze Wolle eine einzige
Klettenmasse, aus dem Walde kommen.

Und nun das Ungeziefer; Holzböcke und Moskitos oder
Mücken fressen Einen bald auf — die Fliegen sind, besonders
in kleinen Waldwiesen oder Prairieen, in solcher Unmasse vor-
handen, ein Pferd förmlich zur Verzweiflung zu bringen und
Wanzen— nun dieWanze stammt ja aus Amerika, und es braucht
uns also nicht zu wundern, wenn wir sie hier heimisch finden.

Eines ist es aber noch besonders, was mir das hiesige
Bauer - oder Farmerleben zuwider macht — die gänzliche Un-
geselligkeit und Abgeschiedenheit. Anstatt die Häuser in Dörfern
beisammen zu haben, liegen sie alle meilenweit von einander
entfernt, im Wald, und wenn Einen, wirklich einmal etwas
zustößt, so ist auf schleunige Hülfe gar nicht zu hoffen — mir
graust es wirklich, wenn ich an irgend eine Krankheit, die mich
oder die Meinigen betreffen könnte denke, denn der einzige Arzt
wohnt sieben englische Meilen von mir entfernt, und das
schlimmste dabei ist, daß ich wünschen muß, er wohnte lieber
siebenzig, denn ehe ich mich einem solchen i
Quacksilber in die Hände gebe, der seine
Patienten mit Calomel füttert und hin-
opfert, sterbe ich lieber sanft an Kamil-
lenthee und Glaubersalz.

Und mit den Leuten ist es erst
eine fürchterliche Noth; Knechte und
Mägde, was wir darunter verstehn, und
wie sie doch zu einer ordentlichen Wirth-
schaft unumgänglich nöthig sind, kann
ich gar nicht bekommen — die Leute
wollen Alle wie dieHerren behandelt sein
und gehn und kommen wie es ihnen am
besten gefällt. Auch ihre Ansprüche sind
unverschämt und übertrieben — erstlich
unverhältnißmäßigen Lohn, dann drei-
mal Fleisch den Tag und Kaffee und
Zucker zum Frühstück, wie Thee oder
Milch zum Abendbrod; und das genügt

ihnen nicht einnial, wollte ich es ihnen dabei an einem beson-
deren Tische geben und für mich mit meiner Familie allein essen,

1 — thäte ich das, ich glaube ich setzte mich den größten Unan-
nehmlichkeiten aus.

Nein, lieber Vetter, wenn Du meinem Rathe folgst, so gibst (
Du Deinen Pacht nicht auf, sondern bleibst ruhig in Deutsch-
land — sind auch die Abgaben dort wie andere Scherereien
ziemlich bedeutend, so schützen uns doch auch die Gesetze wieder
vor tausend Unannehmlichkeiten, denen wir hier ausgesetzt sind,
und das gesellige Leben wiegt ivieder viele Mängel auf —
kann ich meine Farm vortheilhaft verkaufen, so komme ich aus
jeden Fall wieder zurück und bei eineni Glase Bier — o wie
ich mich nach einem ordentlichen guten Krug Lagerbier sehne, — j
erzähl ich Dir dann, was ich hier Alles erlebt, und wie ich
so nach und nach und Schritt für Schritt, in all meinen schö-
nen Hoffnungen und Plänen enttäuscht wurde.

Daß das recht bald geschehen niöge wünscht, mit seinen
herzlichsten Grüßen an Dich und die lieben Deiuigen

Dein alter Freund und Vetter

Christoph Koßbrrger

Meine Frau, die Euch mit den Kindern, ebenfalls herzlich j
grüßen läßt, klagt eben über Frösteln und Kopfweh — die
Nägel fangen ihr auch schon an blau zu werden — das sind
die freundlichen Anzeigen des kalten Fiebers.

DritterBrief.

Nujork nich sondern Kendukki wo ich jezd bin.

. Lüber Ludewig!

Ich bin glicklich hir eingedroffen in Ameriga Tunnerwetter
das is en Land 17 Dage in eine ford gereiht un noch keine
Grenze un kein Schandarm un kein Bas verkangd un kein
Schlachbaum gesen un kein Bolizeidicner worum ich dich eigend-
lich bitten Wolde weil mir das bei den Bolizeidicnern die ich
nich gesen habe einfelld so geh doch eimal zu Lvwizki hin Du

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Titel/Objekt
"Aus dem Briefsacke des Paquetschiffes "Seeschlange""
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Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Reiter <Motiv>
Pferd <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Amerika

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 14.1851, Nr. 330, S. 139

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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