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Zum grauen Esel.

„Wedell, du kannst noch heute ans acht Wochen in Ur-
laub gehen."

„Zu Befehl, Herr Lieutenant."

„Hast du keine Ahnung davon, wer um Urlaub für dich
nachgesucht hat?"

„Meine Mutter wird's gethan haben, zu Befehl!"

„Nein! nein! weit gefehlt! Ein sehr hoher und ge-
bietender Herr, der regierende Fürst von Bückeburg hat sich
für dich in höchsteigener Person verwendet."

Der Soldat schwieg und machte große verwunderte
Augen.

„Sag' mal, Wedell, du Glückskind! wie bist du zu so
hoher Gönnerschaft gelangt? Woher kennt dich der Fürst?"

„Er hat mich öfter im Walde auf der Jagd gesehen
und ist immer so gnädig gewesen, mit mir zu sprechen."

„So? auf der Jagd? Wie kommst du aber als Preuße
in's Bückeburg'sche?"

„Ein Bruder meiner Mutter steht beim Fürsten in
Dienst."

„Na, nun erkläre ich mir die Sache," dachte der Officier
und fuhr laut fort: „Geh', pack' deine Siebensachen und melde
dich in Bückcburg im Forsthause und solltest du dort mit
Sr. Durchlaucht zusammentreffen, so vergiß nicht, meinen
ganz unterthänigsten Respect zu vermelden."

„Zu Befehl, Herr Lieutenant! Haben der Herr Lieute-
nant sonst noch etwas zu befehlen?"

„Nein! du kannst gehen. Und wenn etwa die Erndte
in acht Wochen noch nicht vorüber ist, so kannst du um Nach-
urlaub eiukommen, hörst du?"

„Zu Befehl, Herr Lieutenant." Sprach's und schob ab.

Was that denn aber der Wirth zum grauen Esel? Nun
das war ein Mann von Wort. Was er sich einmal vorge-
nommen, das führt er ans. Noch selbigen Tages ging er
zu einem Maler und bestellte ein neues Schild; darauf sollte
mit großen goldenen Buchstaben geschrieben stehen: „Zum

biedern Fürsten von Bückeburg." Der Maler war aber klü-
ger und einsichtsvoller wie er und machte ihn darauf auf-
merksam, daß das reisende Publikum glauben müsse, cs sei
hier ein ganz neuer Gasthof entstanden, und doch würden
viele alte Kunden nach dem grauen Esel fragen. Der Mann
hatte offenbar Recht und der Wirth war auch weise genug,
sich überzeugen zu lassen. „Nun meinetwegen!" rief er nach-
gebcnd, „so bemerken Sie's darauf, daß dieser Gasthof derselbe
ist, der früher „zum grauen Esel" genannt war."

Schon nach acht Tagen paradirte das neue Schild an
der Front des Hauses zur starren Verwunderung des Publi-
kums und zur Gemüthserschütterung der Gebildeten. Denn
der witzige Maler hatte mit großen goldenen Buchstaben da-
rauf geschrieben:

„Zum biedern Fürsten von Bückcburg,
frühem grauen Esel."

Leser, kommst du einmal nach Minden, such' den frühern
grauen Esel auf. Ich glaube, du wirst mehr als Einen
finden.

Ein Dienst ist des andern werth. 203

Die Gemeinde B., einer kleinen Stadt Badens, beschloß
im Jahre 1850, drei unverbesserliche Subjecte, um sich ihrer
zu entledigen, auf allgemeine Kosten nach Amerika zu schicken
und lieferte die drei theuren Laudeskinder nach einem rühren-
den Abschiede nach einem deutschen Seeplatze, uni von dort
aus die Fahrt über das weite Weltmeer anzutreten.

Ein günstiger Wind schwellte die Segel des stattlichen
Dreimasters, dem cs vergönnt war, eine so kostbare Last im
Schooße seines Zwischendeckes zu tragen und schon nach
Verlauf von drei Wochen finden wir unser Kleeblatt bum-
melnd in den breiten Straßen New-Norks.

Die großen Hoffnungen und Erwartungen, mit denen
vielleicht die drei Gesellen dieses Eldorado der Freiheit und
Gleichheit betreten hatten, sollten in wenigen Tagen zu nichte
werden. Ohne Verdienst, war ihr Zehrpfennig in Kurzem
verschwunden und ihre Börsen hatten bereits die Schwind-
sucht im letzten Stadium, so daß sie das Lied anstimmcn
konnten, freilich nicht mit dem Humor unserer Musensöhne:
„Verschwunden ist das Geld aus dem Beutel, — Ach wie
eitel ist doch Alles auf der Welt". — Denn mit Pumpen
und Fechten kommt man bekanntlich nicht weit in der neuen
Welt — als ein unerwarteter Glücksfall ihrer Verlegenheit
ein Ende machte. Bei einer ihrer Wanderungen stießen sie
auf den bekannten Br. N., einen der bedeutendsten Aerzte
ihrer Heimath, ebenso berühmt durch seine Praxis, wie durch
seine Originalität, welcher mit dem Gemeinderathe von B.
in Conflikt gerathen und von einigen Spießbürgern des Städt-
chens, als der Theilnahme an der revolutionären Bewegung
des Jahres 49 verdächtig, denuncirt worden war, jedoch grund-
los, in Folge dessen er auswanderte.

Als Arzt mit den Höhen und Tiefen der menschlichen
Gesellschaft vertraut, erkannte er sogleich unser Kleeblatt, fragte
sie theilnehmend nach der Ursache ihres Hierseins und ihrer
Lage. Sie stimmten nun alle drei ein Klagelied Jeremiä an,
und versicherten, daß sie weniger freiwillig ausgewandert, als
vielmehr ausgewaudert worden seien und ihr höchster Wunsch
sei, die Mittel zu besitzen, der Heimath geliebten Boden wie-
der betreten zn können. Or. N., dessen Praxis ihm schon ein
solches Opfer erlaubte, entschloß sich, die drei Kameraden kosten-
frei wieder nach Europa zurück zu spediren und schon nach
zwei Tagen befanden sich die Drei am Bord eines nach
Havre abgeheuden Dampfers. Doch in Havre, o Schicksal,
wurden sie aus Ucberfluß an Geldmangel, denn die Fracht
war nur bis dahin bezahlt, in die liebreiche Obhut der Po- j
lizei genommen und per Schub durch ganz Frankreich nach
der lieben Heimath zurückgelicfert und langten eines schönen
Tages wohlbehalten in B. wieder an. Groß war der Jubel!
Freude war in Troja's Hallen, als die Drei sich dem Ge-
meinderathe vorstellten mit einem freundlichen Gruße von
Or. N. Es möge ihn der Gemeinderath von B. stets in
gutem Andenken behalten, indem er ihnen drei so thcure
Pfänder seiner Anhänglichkeit wieder zurücksende.

Allerdings theuere Pfänder, denn die Gemeinde mußte
den Schub von Havre bis B. bezahlen.

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