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Eine seltsame Begebenheit.

nützigen Handlung fähig waren und in mir nie den Menschen,
sondern nur den Geldsack liebten. Gegenbeweise hat mir während
meines ganzen Lebens Keines erbracht. Der Mensch ist nun
hinüber — nur der Geldsack ist geblieben —- aber die Schnüre zu
demselben reichen bis ins Jenseits. Wie mir ihre Herzen ver-
schlossen blieben, soll auch er für sie zugczogen sein, — ihren lach-
enden Erbengesichtern, ihren gierig zuckenden Händen zum Trotze.

Am Tage nach dem Falle des Hauses Brockmann & Comp.,
welches ich mit der Verwaltung meines Vermögens betraut
hatte, zog ich mich in mein Arbeitszimmer zurück. Castor, dem
mein absonderliches Benehmen bedenklich erscheinen mochte, wich
mir nicht von der Seite, trotzdem ich, in dumpfes Hinbrüten
versunken, jede Nahrung verschmähte und vergaß, ihn, wie ichs
täglich that, zu füttern.

Nach einer Botschaft, welche mir Abends hinterbracht
wurde, überkam mich eine Schwäche; ich mußte das Be-
wußtsein verloren haben, denn cs war nach Mitternacht, als
ich wieder zu mir kam und mir Castor unter Freudengewinsel
die Hände leckte. Die auf dem Tische stehen gebliebenen
Speisen waren unberührt!

Von meinen lieben Verwandten ließ sich diesen und den
folgenden Tag Keines erblicken, um mir ein Trosteswort zu
spenden. Die Furcht, daß der griesgrämige Mann, welcher,
wie angenommen wurde, rim sein ganzes Vermögen gekommen
Ivar, Einem von ihnen zur Last fallen möchte, hielt sie davon ab.

Ich ersuche den Herrn Executor, die Anzahl der am Pub-
licationstage Anwesenden, welche sich berechtiget wähnen, auf
meine Erkenntlichkeit und Dankbarkeit Ansprüche zu erheben, zu
constatiren und diese mit der Zahl derjenigen zu vergleichen.

welche mir bei oben erwähntem Anlasse ihre Theilnahme be-
wiesen haben. Das Facit ist: mein Hund Castor, welchen ich
hiemit ans Lebzeiten zum Universalerben einsetze.

Meine Verwandten mögen diese Anordnung unvernünftig
und hart erklären, sie haben aber vor mir nur das Einzige
voraus, daß sie die Ueberlebenden sind und als solchen gönne
ich ihnen das Gefiihl bitterer Enttäuschung und beschämender
Zurücksetzung — von ganzem Herzen!" —

Eine Stnrmflnth der schmählichsten, selbst für einen Hund
ehrenkränkenden Schimpfworte und Verwünschungen gegen den
Universalerben „Castor" unterbrach den Vortrag des Testamentes,
in welchem sich nunmehr einige Legate an Personen anreihten,
die dem Verstorbenen dienend zur Seite gestanden. Auch diese
Beweise eines dankbaren Herzens fanden geringen Beifall. Aber
wie änderte sich mit einem Schlage die Situation, als die
folgenden Bestimmungen über die Nutznießung der Erbschaft
bekannt gegeben wurden:

„Die Zinsen eines Kapitals von beiläufig 60,000 Gulden
waren jährlich demjenigen der Verwandten zu übergeben, ivelchem
sich der Hund am Tage der Testamentscröffnung freundlich
anschließen würde. Mit dem Gelde konnte er beliebig schalten
und walten, nur mußte er am Schlüsse eines jeden Jahres mit
dem Hunde bei dem Anwälte erscheinen, woselbst eine Commission,
gebildet aus den übrigen Verwandten, zu prüfen hatte, ob Castor
wohl gepflegt und mit seinem Pflegeherrn auch zufrieden sei,
widrigenfalls er einem anderen Familicngliede mit der ent-
fallenden Rente zu übergeben wäre, welches sich nach Ablauf
der Jahresfrist abermals derselben Prozedur unterwerfen mußte.

Sollte aber der Hund während dieser Frist zu irgend
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Titel/Objekt
"Eine seltsame Begebenheit"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

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Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

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Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Erbe
Testamentseröffnung
Notar <Motiv>
Verwandtschaft <Motiv>
Genugtuung
Habsucht <Motiv>
Stuhl <Motiv>
Anstrengung
Gewinn
Karikatur
Sympathie
Hund <Motiv>
Menschenmenge <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Fliegende Blätter, 69.1878, Nr. 1736, S. 138
 
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