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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0024
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2. Die westliche Niederterrasse, die wie die östliche
aus weichseleiszeitlichen Geschiebesanden und Kiesen
besteht, ist infolge der Buchten und Halbinseln, Teiche
und des der Oker zufließenden Gewässernetzes weit-
aus kleinräumiger strukturiert. Von den drei weit in
die Niederung hineinragenden Halbinseln ist die süd-
lichste ca. 350 m lang. Am Ende eines ausgestreckt
schmalen Inselfußes (mit Breiten zwischen 15 bis 50 m)
erweitert sie sich auf etwa 15000m2 Fläche.17
3. Die zwischen 300 bis 650 m breite, süd-nördlich
orientierte Okerniederung ist mit einem dichten Netz
von trockenfallenden, wandernden Schwemmsand-
bänken, fester gegründeten, aber überschwemmungs-
gefährdeten Höhenrücken und weitgehend hochwas-
sersicheren Inseln besetzt, zwischen denen Fließ-, Trö-
del- und stehende Gewässer wie Sumpfgebiete die
Unwegsamkeit bedingen.18
4. Die südlich des späteren Stadtraumes durch früh-
neuzeitliche Kartierung überlieferte mehrarmige,
mäandrierende Flußstruktur der Oker findet sich fol-
gerichtig auch nördlich davon in Höhe des späteren
Stadtraumes. Zu rekonstruieren ist hier ein zweiter,
östlicher Okerlauf.
Die nach dem älteren Forschungsstand bei Hochwas-
ser aufgrund des spätneuzeitlichen Stromgefälles von
ca. 4,70 m auf 3 km Länge in Höhe des Stadtraumes
beobachtete starke Schubkraft des Harzflusses muß in
frühmittelalterlicher Zeit auch faustgroße Gerolle
transportiert haben.19
5. Ein erster Rekonstruktionsversuch der Höhen-
schichten deutet einerseits auf schärfere Kontraste in
der Reliefbildung der Niederterrassen. Andererseits
erscheint das Höhen Verhältnis von Terrassenrand und
Niederung streckenweise relativ ausgeglichen und
flach.
So werden vermutlich die örtlichen dünenartigen Er-
hebungen auf den Halbinseln bis zu 73 m bzw. 77 m
Höhe ü.NN erreicht haben. Die westliche Niederter-
rasse aber wird im Bereich des späteren Stadtraumes
maximal nur auf 72m ü.NN angestiegen sein.

Andererseits ist die durchschnittliche Sedimenthöhe
der Niederung mit Ausnahme der Flußarme kompak-
tionsfrei bei 68 bis 67 m ü. NN zu schätzen. Strecken-
weise betrug dagegen das Niveau des Terrassenrandes
analog dem morphologischen Gefälle im Süden nur
69m und im Norden nur 68m ü.NN.20
Zum frühmittelalterlichen Siedlungsbeginn

Auf der Grundlage des bislang erarbeiteten archäolo-
gischen Quellenmaterials sind bereits auf der westli-
chen Niederterrasse einige Siedlungsfaktoren zu er-
kennen. Das sich andeutende Siedlungsgefüge ist je-
doch wegen eines noch bestehenden grundsätzlichen
quellenkritischen Vorbehalts zu relativieren und be-
darf der weiteren Überprüfung. Die Vorbehalte liegen
im relativ kleinen Flächenausmaß gegenwärtiger Un-
tersuchungen, in der örtlich aufgeteilten, lückenhaften
Stratigraphie und in der noch nicht eindeutig abgesi-
cherten Datierung. Aber die Möglichkeit zu Grabun-
gen besteht weiterhin in allen siedlungsrelevanten Räu-
men21.
Die Ergebnisse beruhen bisher auf drei Flächengra-
bungen
- im Raum des späteren Kohlmarktes, unmittelbar im
Uferbereich der Oker,
- im Keller sowie auf dem Hof des Vieweg-Hauses auf
der ehemaligen südlichsten Halbinsel (Burghalbinsel)
- sowie in der mittelalterlichen Jakobskapelle am Ei-
ermarkt, landeinwärts.
Die älteren Siedlungsbefunde sind in den Zeitraum des
9. bis 11. Jahrhunderts zu datieren und stehen mögli-
cherweise untereinander in entwicklungsmäßiger Be-
ziehung (vgl. Kurzberichte zu den Stadtgrabungen 21,
31, 5 und Farbtaf. 1 sowie Abb. 7). Von grundlegender
Bedeutung für die Beurteilung des Besiedlungsablaufs
sind die stratigraphisch eingebundenen Befunde der
Grubenhäuser (Abb. 9) und Brunnenstellen sowie des
Metallhandwerks einer Siedlungsgründung und der



Abb. 8 Braunschweig, Neustadt-Süd, Jöddenstraße/Küchenstraße (Stadtgrabung 10). Nord-Süd-Leitprofil (vereinfacht) der
„Rennelbergbach-Niederung“ (Lage in Abb. 37). Sedimente 115, 127 des Bachlaufes und Schwemmsandinsel 123 mit
Uferpalisaden 125, 126 und Stadtmauer 121,120 (bzw. Ausbruch 131) aus dem 4. Viertel des 12. Jahrhunderts. Sandaufschüt-
tungen 116,117 und 128, um 1200. Sedimente 118 und Knüppeldecke 119 der Jöddenstraße, 13. Jahrhundert. Hausfundamente
122, 132 der Jöddenstraße 9, 14. Jahrhundert. M. 1:200.

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