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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0189
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Altstadtgrabungen in
Braunschweig 1948 bis 1975

Ralf Busch

Mittelalterliche Funde aus dem Altstadtgebiet sind be-
reits seit dem 19. Jh. beobachtet worden1, daneben aber
auch vorgeschichtliche, wobei allerdings das engere
Altstadtgebiet in den Grenzen der mittelalterlichen
Stadt nur spärliche, überwiegend steinzeitliche Funde
geliefert hat2. Ausführlicher hat A. Tode die vorge-
schichtlichen Funde in Braunschweig 1954 und 1965
behandelt3, ohne einen Hinweis auf Besiedlungsspuren
aus der Zeit nach der Zeitwende bis zum Beginn des
Mittelalters genannt zu haben.
Vorgeschichtliche Funde sind allerdings auch im 19.
Jh. schon im Stadtgebiet von Braunschweig erwähnt
worden, ohne daß immer deren Alter erkannt wurde,
und auch die Bedeutung mittelalterlicher Funde wurde
nicht recht eingeordnet. So sind die Bemerkungen von
L. C. Bethmann^ nur schwer kontrollierbar: „Das äl-
teste Zeugnis für die Bewohnung des jetzigen Stadt-
gebietes schon in heidnischen Zeiten gaben die zahl-
reichen Aschenkrüge, welche zu beiden Seiten der
Oker auf der Schuhstraße, der Schützenstraße, am
Neuenwege, der Michaeliskirche, an der Hagenbrücke,
der Kuhstraße und am Sandberge gefunden sind“.
Seine Abbildung zeigt jedenfalls mittelalterliche Ke-
ramik (oben) und Urnen der vorrömischen Eisenzeit
(unten), ohne daß deren unterschiedliches Alter er-
kannt wurde. (Die zugehörige Abbildung findet sich
im einleitenden Beitrag Rötting in diesem Band.)
Die Anfänge der Stadt auf der Basis von Schriftquellen
sind erst ab 1031 faßbar; ohne Zweifel müssen in ein-
zelnen Teilen ältere Siedlungskerne vorausgesetzt wer-
den, die zunächst nebeneinander bestanden haben
dürften. Zu dieser Problematik, die u. a. eine früheste
Keimzelle im 9. Jh. im Umfeld der Jakobskirche ver-
mutet, ist von verschiedener Seite umfassend Stellung
bezogen worden; zumindest die historischen Fragestel-
lungen sind klar herausgearbeitet, so daß hier auf diese
nicht näher einzugehen ist4. Ohne Zweifel kommt auf
die Archäologie eine gewichtige Aufgabe zu, wenn die
Klärung der Frühgeschichte der Stadt Braunschweig
einer Lösung nähergebracht werden soll.
Wenn ein erster Siedlungsansatz der mittelalterlichen
Stadt und ihrer Weichbilde bis in das 9. Jh. zurückfüh-

ren sollte, dann ist auch die Frage berechtigt, ob An-
knüpfungspunkte an noch ältere Siedlungskerne er-
kennbar sind. Unter Ausschluß der neuesten Gra-
bungsergebnisse darf aus älteren, bisher nicht veröf-
fentlichten Funden geschlossen werden, daß einzelne
Scherbenfunde an mehreren Stellen im engeren Stadt-
gebiet eine kaiserzeitliche Besiedlung belegen. Die
wenn auch spärlichen Funde lassen auf Siedlungsspuren
schließen5.
In diesem Zusammenhang könnte sich auch der Fund
einer anscheinend spätkaiserzeitlichen Brandbestat-
tung direkt westlich vor der Katharinenkirche am Ha-
genmarkt einordnen. Möglicherweise belegt dieser
Einzelfund ein Gräberfeld, das auf eine nicht nur spo-
radische Aufsuchung dieses Geländes schließen läßt6.
Wir sind sicher, daß es weitere zeitgleiche Belege für die
Besiedlung des engeren Stadtgebietes gibt, deren Auf-
arbeitung erforderlich ist. Doch gibt es zur Zeit keine
Befunde, die vom Ende der römischen Kaiserzeit eine
Brücke zum frühen Mittelalter schlagen. Die Frage der
Kontinuität von der Kaiserzeit zum Mittelalter stellt
sich, ohne daß wir heute diese Lücke mit Funden ein-
deutig zu belegen vermögen.
Wollen wir aus den älteren Altstadtgrabungen heraus
wesentliche Fragestellungen formulieren, ist es not-
wendig, die archäologischen Ergebnisse in ihrer Aussa-
gefähigkeit zu bewerten. Es sind 111 Fundstellen aus
dem Altstadtgebiet bekannt. In der Mehrzahl sind diese
in den Jahren nach der Zerstörung der Stadt 1944 im
Rahmen der Wiederaufbaumaßnahmen erschlossen
worden (Abb. 1). Es handelt sich um Zufallsfunde,
Baustellenbeobachtungen und gelegentliche Nachgra-
bungen, die sich immer an den Notwendigkeiten der
Neubaubelange orientieren. Systematische Beobach-
tungen und Nachgrabungen mit historischen Fragestel-
lungen waren nur selten möglich. So engt sich die An-
zahl der aussagefähigen Fundstellen ein.
Um einige Beispiele herauszugreifen:
7 Fundstellen betreffen Kirchen im Altstadtbereich7
mit sehr unterschiedlichen Interpretationsmöglichkei-
ten. In ihrer Gesamtheit können diese Ergebnisse hier

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