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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0032
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2. Zur Gliederung und Datierung des
Fundstoffes

Für das mittelalterlich-neuzeitlich definierte archäolo-
gische Arbeitsgebiet Stadt, einer Siedlungskammer
vergleichbar, kann infolge denkmalpflegerisch beding-
ter hoher jährlicher Grabungsquoten relativ kurzfri-
stig die notwendige breite statistische Materialbasis zur
Verfügung stehen, von der aus generalisierende
Schlüsse möglich werden. Konstruktiv vorgegeben
sind nicht allein die Grabungsflächen in der Form der
Parzellen, Straßen und Plätze — auch die ereignisge-
schichtlichen Fakten der Stadthistorie, die struktu-
rierte und praktizierte Ordnung oder die soziale
Schichtung sind weitgehend bekannt, lokalisierbar
und zielorientiert in die Grabungsarbeit einzuplanen.
Die archäologisch-kritische Rekonstruktion und ihre
Auswertungssysteme können inhaltlich reicher und
schärfer differenziert sein, wenn überprüfbare und er-
gänzende Vergleichsmöglichkeiten aus anderen Quel-
lengattungen heranzuziehen sind, wie dies bei den
noch existierenden historischen Stadträumen, Bauten,
Bebauungsstrukturen, Bildern, Schriften oder museal
bewahrten Gegenständen gegeben ist. Dann ist auch
das Normative, Typische vom Singulären, Besonderen
der wechselnden Gebrauchsformen und Bauformen,
äußeren Einwirkungen, Arbeitstechniken oder Verhal-
tensweisen der Bürger — und möglichst nach traditio-
neller oder progressiver Strömung - sicherer zu tren-
nen und zu benennen.
Überlieferte Abbildungen von zeitlich wechselnden
Aufbauten eines nicht mehr vorhandenen Brunnens,
dessen gleichgebliebener Unterbau bzw. veränderte
Fördertechnik nun archäologisch erschlossen ist, er-
möglichen eben differenziertere Auswertungen und
Zuordnungen seiner Bauform und seiner baulichen
V eränderungen.
Die am gegenständlichen Fund zu beobachtende va-
riable, eben handwerklich-individuell gearbeitete Ge-
brauchsform und ihr entschlüsselter technischer Her-
stellungsprozeß bewirken eine realistischere Nähe und
dinglichere Beurteilungsmöglichkeit als das in der ty-
pischen Form überlieferte Abbild eines Keulenglases.
Der Holzschnitt allerdings, dessen Komposition das
Keulenglas enthält, kann im Unterschied zum Fund
absolut datiert sein und dann für die Beurteilung der
Zeitstellung der Gebrauchsform einen erheblichen
Gewinn bedeuten (vgl. Stadtgrabung 12).
Für den gegenwärtigen Arbeitsstand sind ganz unter-
schiedliche Fundmengen in den einzelnen Material-
gruppen und Zeitabschnitten kennzeichnend. Die
Quellenlage ist hinsichtlich der breiten statistischen
Basis gleicher und komplementärer Quellentypen, die
historisch für relevante Schlüsse unerläßlich ist, noch
erheblich heterogen und zufällig sortiert und teilweise
als unterrepräsentiert zu bewerten.

Liegen zu den Fragen nach Konstanz und Wandel der
funktionellen Parzellentopographie praktisch erst Ein-
stiegsergebnisse vor, ist das statistische Material zur
Entwicklung der Tiefbauformen von Brunnen und
Kloaken bereits geeigneter, hierauf zumindest ein vor-
läufiges Typenschema aufzustellen.
Zur Typologie und Datierung der Gebrauchsformen
ist es möglich, erste tabellarische Übersichten mit ein-
fachen kombinationsstatistischen Arbeitsschritten
vorzulegen, wie dies hier in drei Beispielen zu Ent-
wicklungsstadien der Keramik erfolgt. Andererseits
geben die aufgenommenen Fundangaben in den Kurz-
berichten zu den Stadtgrabungen auch zu weiteren
Materialgruppen wie Hohlglas, Holz und Leder einen
zeitlich begrenzten Überblick.
Der nun überproportional zunehmenden Fülle des
Fundmaterials werden in Zukunft nur elektronische
Datenverarbeitung und die Spezialisierung mehrerer
wissenschaftlicher Bearbeiter gerecht werden können.
Die Vorbereitungen hierzu sind aufgenommen wor-
den.

Zu ausgewählten Entwicklungsstadien der Keramik

Zur Typologie und Chronologie der Keramik aus vor-
bis frühstädtischer Zeit des 9. bis 13. Jhs. konnte
aufgrund der teilweise noch lückenhaften und mit
Datierungsfragen belasteten Quellenlage (vgl. d. 20,
113, 116) zunächst nur eine vorläufige, grobstruktu-
rierte Übersicht erarbeitet werden, deren hypotheti-
sche Teile vor allem an den Ergebnissen der Stadtgra-
bung 33 noch zu überprüfen und hinsichtlich des 11./
12. Jhs. hoffentlich zu differenzieren und zu ergänzen
sein werden.
Das Gliederungssystem nach Warenarten, Warengrup-
pen und Einzelwaren beruht auf den gebräuchlichen
quellentypischen, chronologischen, technologischen
und formalen Kriterien, zeitlich untergliedert in ältere,
jüngere und jüngste Stadien bzw. ab Hochmittelalter
nach den üblichen Zeitbegriffen.
Die graue, gelbe oder bleiglasierte Irdenware ist im
Arbeitsbericht nicht nach Einzelwaren untergliedert
worden, da gegenwärtig noch nicht alle notwendigen
und quantitativ abgesicherten keramiktechnologi-
schen Angaben vorliegen (vgl. Beiträge Okrusch, S.
249ff. und Hennicke, S. 257ff. sowie mitgeteilte erste
Arbeitsergebnisse zur Kohlmarkt-Keramik, siehe
w. u.).
graue Irdenware (so genannt nach Begriffsmustern
des Schleswiger Arbeitskreises), deren Bezeichnung
alle Grauwerte und kombinierte Farbtönungen um-
faßt, also auch die sog. blaugraue Irdenware, ist auf-
grund technologischer Kriterien wie Magerungsart,
Brandfarbe, Gefüge in eine ältere graue Irdenware
(Warengruppe K, vgl. Fundangaben zu den Stadtgra-
bungen 19, 23, 52) und eine jüngere graue Irdenware zu

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