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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0094
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ßen, mit vier charakteristischen Merkmalen: die hell-
farbenen Glasurtöne erscheinen dünn und matt, sind
auch häufig wieder farblos; der Scherben ist sehr hart
gebrannt; als Randform überwiegt der steil-ausbie-
gende Lippenrand mit schwacher Kehlung; die Gra-
penbeine sind extrem hornförmig ausgebogen und
spitz auslaufend mit vorne geschnitten-gefalteter Keh-
lung.
Daß auch zu dieser Zeit und in dieser Warenart stark
regional geprägte Varianten und Überformungen vor-
herrschen können, zeigt ein Vergleich mit der von
H. Löbert aus Göttingen vorgestellten Ware aus der
zweiten Hälfte des 16.Jhs. (Löbert 1980, 22ff.).
Fundangaben zu Abb. 49

Mehrfach zusammengesetzte RS und BS einer Schüssel mit farbigem
Figurendekor der Werrakeramik, bemalte Irdenware. Wohl Derivat
aus dem Umfeld des engeren Herstellungsgebietes (nach H.-G.
Stephan).

Auf Spiegel und Steigbord eine — soweit erkennbar — wohl frühba-
rocke Diana-Darstellung mit Brünne, Köcher, Pfeil und Bogen.
Flatternder Bänderschmuck im offenen langen Haar; hochge-
bauschte Ärmel; auf der Brünne gekreuzte Bänder; wohl fischartige
Beinkleider mit Schuppen und Flossen besetzt.
Erkennbar ist rechts am Rande des Spiegelfragments der rückwär-
tige Rest eines weiteren Beinkleides, so daß auf ein antithetisches
Figurenpaar geschlossen werden kann. Linke Figur teilweise rekon-
struiert.
Auf der Fahne gleichmäßiges Linienornament mit sechs Umläufen,
schräggestellte Strichgruppen auf dem konvexen Schildrand.
Auf rotbrauner Grundierung aquarellartig wirkende, infolge der
transparenten Bleiglasur gelb-grünlich getönte Figurenmalerei und
Ornamentgestaltung mit weißlichem Tonschlicker. Glasurlichter in
den Farben Braun und Grün. Gestalt und Innenzeichnung der Figur
sind konturierend geritzt.
Der Scherben ist dickwandig, porös brüchig, auch im Bruch hell-
braun-grau bis pinkfarben; relativ schwach gemagert, weit überwie-
gend mit fein- bis mittelkörnigem Quarz. Auf der inneren wie
äußeren Wandung laufen Drehriefen, auf dem Standboden exzen-
trische Drehrillen; die Innenwandung ist engobiert, die Außenwan-
dung mit Ausnahme des Schildrandes nicht bemalt und nicht gla-
siert.
H. 7,5 cm; Rdm. 27,4 cm. FNr. 78:3/790, St. 32.
Aus einem Fundkomplex mit Weserware, Westerwälder Stein-
zeug, „Creußener“ Fayence (vgl. Beitrag Busch Fayencescherben,
.5. 265ff.), Flügelgläsern u. a. Ende 16./17. Jh.
Datierung: 1. Hälfte 17. Jh.



Abb. 49 Stadtgrabung 10 (Stelle 32). Schüsselfragment der
Werrakeramik, bemalte Irdenware. Frühbarocke Diana.
1. Hälfte 17. Jh. M. 1:3.

Kommentar
In den entsprechenden Braunschweiger Fundkom-
plexen ist Werrakeramik (ehern. Wanfrieder Ware) im
Gegensatz zu zahlreich vorhandener Weserware bisher
nur in wenigen Scherben vertreten. In Göttingen,
Wieda, Ldkr. Osterode (Fundmeldung U. Rempel,
R. Jörn), Clausthal-Zellerfeld (Fundmeldung E. Reiff)
oder Goslar beispielsweise sind weitaus größere Fund-
mengen überliefert und damit auch wohl unterschied-
lich intensive Absatzgebiete angedeutet. H.-G. Ste-
phan konnte in den letzten Jahren durch seine Nach-
forschungen und reichen Werkstattfunde von Witzen-
hausen/Werra und Hannoversch Münden das archäo-
logische Material grundlegend vermehren und damit
dessen außergewöhnliche kultur- wie wirtschaftsge-
schichtliche Bedeutung herausstellen.
Die offensichtlich in der Tradition italienischer Majo-
lika-Malerei der Hochrenaissance bzw. des Manieris-
mus stehende Bemalung schlichter Irdenware zeigt
eine nördlich der Alpen vergleichsweise außergewöhn-
lich formal reizvolle Keramikdekoration mit graphi-
schen und malerischen Mitteln unter Einbeziehung der
keramischen Gestaltungselemente des gebrannten To-
nes und der Bleiglasur der Irdenware. In den Motiven
der frühen und hohen Zeit in der 2. Hälfte des 16. Jhs.
bis um 1600 (Stephan 1981b, 69ff., dort weiterf. Lit.;
Grohne 1940, 54ff.) sind die Figuren in der Kleidung
der Spätrenaissance dargestellt, die zeitgenössische
Züge der Spanischen Mode tragen kann — wie bereits
frühbarocke Elemente in der Spätzeit der 1. Hälfte des
17. Jhs.

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