Abb. 444), führt aber auch neben Darstellungen von
Keulengläsern bei Dürer (Aeskulap von 1502/04) und
H.B. Grien (Trunkener Silen von 1510) den Wolfen-
bütteler Schloßfund an, der vor 1546 anzusetzen ist.
Die Fundvergesellschaftungen und stratigraphischen
Befunde in Braunschweig (vgl. Stgr. 10, St. 14, Kom-
mentar zu den Holzgerätfunden der Abb. 38-41} be-
legen während des 15. Jhs. eine intensive Gebrauchs-
zeit des Keulenglases (vgl. auch Kahsnits? 1984, 42), die
durch örtliche Bildquellen gestützt wird (vgl. Abb. 4,
S. 15: Mann mit Keulenglas, Holzplastik auf Eckkon-
sole am ehern. Haus Am Alten Petritor 2, wohl 1463
angebracht; ferner G. Römer 1982, 61: Keulenglas auf
dem Jagdteppich d. A. v. Bortfeld, 1430 bzw. 1450-
1475 datiert).
Im vorliegenden Hohlglaskomplex von 20 Gefäßen
befinden sich acht Keulengläser der Typen I—III, die
gleichzeitig in den Abwurf gelangten. Da sie zusam-
men mit jüngeren Glasgefäßen wie Füßchenschale
(Abb. 52:1) und Becher mit extrem hochgestochenem
Boden (Abb. 52:2) auftreten, sind sie spätestens in die
Zeit um 1500 zu datieren.
Zur Herstellungstechnik der Keulengläser
In Zusammenarbeit mit Olaf Ressel, Uwe Schupp und
Johanna Dedy, Kunsthandwerkerhof „Zur Alten
Münze“, Clausthal-Zellerfeld, können zur Herstel-
lungstechnik der Keulengläser experimentelle Erfah-
rungen mitgeteilt werden (vgl. auch Fischer 1892,
25 ff.).
Die hier vorgestellten Gläser sind bis auf Abb. 54:4
einteilig gearbeitet worden; das Keulenglas Abb. 54:4
mit Scheibenfuß und Spitzzylinder wurde zweiteilig
angefertigt.
Im Experiment zur Herstellung einteiliger Gläser
wurde wie folgt verfahren. Das an der Pfeife sitzende
Kölbel wurde in eine entsprechende Optik (Rippen-
model) eingeblasen und erhielt eine längsgerippte
Wandung. Dann ist mit der Zange am Ende des Roh-
lings eine Kugel abgeschnürt worden. Aus dieser Ku-
gel wurde der Fuß geformt, indem sie unter leichtem
Absaugen der Luft über ein kegelförmiges Holzmodel
zusammengedrückt und entsprechend in das Kölbel
eingestülpt wurde. Der hohle Rand hat sich als Rest
des luftgefüllten Kugelhohlraumes gebildet. Hinter
dem im Querschnitt breitovalen Hohlrand verdoppelt
sich folgerichtig die Wandungsstärke.
Anschließend wurde das Hefteisen mit entsprechender
Glasmasse im „hochgestochenen“ Boden befestigt, die
Pfeife abgetrennt und die Formung entsprechend zu
Ende geführt. Die Kerbung der Glasfadenauflage kann
mit einem Rollrädchen ausgeführt werden.
Formung, Dünnwandigkeit, Höhe des Keulenglases
wie die einteilige Herstellungstechnik verlangen ein
hohes handwerkliches Können.
13
UB 111/78:6 / Kleine Burg 2,3,4 / Fl. 2, Fist. 706)1 /
ass. 7, 7! / Stiftsherrenhäuser / —.
Fundbergung auf 352 m2 vom 28. 3. bis 10.4. 1978.
Mit Unterstützung der Stadtwerke wurde vor Wieder-
errichtung der abgetragenen Fachwerkbebauung in
einem Baggerplanum und zwei Suchgräben systema-
tisch Lage und Grundriß der seit dem 13. Jh. hier
feststellbaren Fäkalgruben und Kloaken ermittelt.
Auch Befunde hinsichtlich der südlichen Abgrenzung
der Burghalbinsel gegen die Okerniederung konnten
erhoben werden (Farbtaf. 3).
Von fünf festgestellten Kloaken/Fäkalgruben wurden
zwei exemplarisch untersucht, aus den übrigen Funde
geborgen.
Stelle 2: gemauerter Schacht aus Kalk- und Sandstei-
nen sowie Backsteinen (an Flickstellen) in Mörtelbin-
dung mit einer Bodenisolierung aus örtlich anstehen-
dem Geschiebelehm, in den die Kloake hineingebaut
worden ist. Charakteristisch für diesen Bautyp Via
(Abb. 25, S. 54) ist die Spitzwinkligkeit einer Ecke,
so daß stets eine Wand schräg verläuft (vgl. Stgr. 32).
Maße: ca. 1,90 x 2,50 m; T. ca. 1,50 m; Mauerstärke
0,30 — 0,35 m. Füllung: humoser, fundreicher Bau-
schutt bis in Tiefen von ca. 0,90 m (18. Jh.). Aus der
noch nicht humos umgesetzten Fäkalfüllung unterhalb
des Bauschutts stammt ein sehr zahlreiches, vielgestal-
tiges Fundmaterial an einfarbiger glasierter sowie be-
malter Irdenware (Weserware), Hohlglas und Stein-
zeug, das in den Zeitraum Ende 16./I. Hälfte 17. Jh.
zu datieren ist. Eine spätmittelalterliche Herkunft der
Kloake und mehrfache Ausräumungen sind anzuneh-
men.
Stelle 5: Progressiver Typ einer rechteckigen Fäkal-
grube (ca. 2,20 x 1,60 m; erh. T. ca. 0,60 m) mit
abgespundeten, angespitzten Rundhölzern (ohne Bau-
grube), wannenartiger Tonisolierung und Faßdauben-
wandung aus dem 14. Jh. (Abb. 23, Typ IVb). Pro-
beentnahme für paläo-ethnobotanische und parasito-
logische Untersuchungen (vgl. Beiträge Willerding,
S. 204ff. und Herrmann, S. 221 ff.).
14
UB IV, V / 78: 5l / Aegidienmarkt 12: umgesetztes Lei-
sewitz-Haus von der Wallstraße 8 (Wiederaufbau
1978/79) / ass. 2578 und südl. Hanggelände Köppe-
berg/ St. Ilien - Markt, St. Ilien — Hof.
Fundbergung auf 750 m2 vom 2. 2. bis 23. 4. 1978, spo-
radisch.
Beim Ausheben der Baugrube für das hierher umge-
setzte Johann-Anton-Leisewitz-Haus aus der Wall-
straße (vgl. Stgr. 3) wurde als Streugut im braungelben
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Keulengläsern bei Dürer (Aeskulap von 1502/04) und
H.B. Grien (Trunkener Silen von 1510) den Wolfen-
bütteler Schloßfund an, der vor 1546 anzusetzen ist.
Die Fundvergesellschaftungen und stratigraphischen
Befunde in Braunschweig (vgl. Stgr. 10, St. 14, Kom-
mentar zu den Holzgerätfunden der Abb. 38-41} be-
legen während des 15. Jhs. eine intensive Gebrauchs-
zeit des Keulenglases (vgl. auch Kahsnits? 1984, 42), die
durch örtliche Bildquellen gestützt wird (vgl. Abb. 4,
S. 15: Mann mit Keulenglas, Holzplastik auf Eckkon-
sole am ehern. Haus Am Alten Petritor 2, wohl 1463
angebracht; ferner G. Römer 1982, 61: Keulenglas auf
dem Jagdteppich d. A. v. Bortfeld, 1430 bzw. 1450-
1475 datiert).
Im vorliegenden Hohlglaskomplex von 20 Gefäßen
befinden sich acht Keulengläser der Typen I—III, die
gleichzeitig in den Abwurf gelangten. Da sie zusam-
men mit jüngeren Glasgefäßen wie Füßchenschale
(Abb. 52:1) und Becher mit extrem hochgestochenem
Boden (Abb. 52:2) auftreten, sind sie spätestens in die
Zeit um 1500 zu datieren.
Zur Herstellungstechnik der Keulengläser
In Zusammenarbeit mit Olaf Ressel, Uwe Schupp und
Johanna Dedy, Kunsthandwerkerhof „Zur Alten
Münze“, Clausthal-Zellerfeld, können zur Herstel-
lungstechnik der Keulengläser experimentelle Erfah-
rungen mitgeteilt werden (vgl. auch Fischer 1892,
25 ff.).
Die hier vorgestellten Gläser sind bis auf Abb. 54:4
einteilig gearbeitet worden; das Keulenglas Abb. 54:4
mit Scheibenfuß und Spitzzylinder wurde zweiteilig
angefertigt.
Im Experiment zur Herstellung einteiliger Gläser
wurde wie folgt verfahren. Das an der Pfeife sitzende
Kölbel wurde in eine entsprechende Optik (Rippen-
model) eingeblasen und erhielt eine längsgerippte
Wandung. Dann ist mit der Zange am Ende des Roh-
lings eine Kugel abgeschnürt worden. Aus dieser Ku-
gel wurde der Fuß geformt, indem sie unter leichtem
Absaugen der Luft über ein kegelförmiges Holzmodel
zusammengedrückt und entsprechend in das Kölbel
eingestülpt wurde. Der hohle Rand hat sich als Rest
des luftgefüllten Kugelhohlraumes gebildet. Hinter
dem im Querschnitt breitovalen Hohlrand verdoppelt
sich folgerichtig die Wandungsstärke.
Anschließend wurde das Hefteisen mit entsprechender
Glasmasse im „hochgestochenen“ Boden befestigt, die
Pfeife abgetrennt und die Formung entsprechend zu
Ende geführt. Die Kerbung der Glasfadenauflage kann
mit einem Rollrädchen ausgeführt werden.
Formung, Dünnwandigkeit, Höhe des Keulenglases
wie die einteilige Herstellungstechnik verlangen ein
hohes handwerkliches Können.
13
UB 111/78:6 / Kleine Burg 2,3,4 / Fl. 2, Fist. 706)1 /
ass. 7, 7! / Stiftsherrenhäuser / —.
Fundbergung auf 352 m2 vom 28. 3. bis 10.4. 1978.
Mit Unterstützung der Stadtwerke wurde vor Wieder-
errichtung der abgetragenen Fachwerkbebauung in
einem Baggerplanum und zwei Suchgräben systema-
tisch Lage und Grundriß der seit dem 13. Jh. hier
feststellbaren Fäkalgruben und Kloaken ermittelt.
Auch Befunde hinsichtlich der südlichen Abgrenzung
der Burghalbinsel gegen die Okerniederung konnten
erhoben werden (Farbtaf. 3).
Von fünf festgestellten Kloaken/Fäkalgruben wurden
zwei exemplarisch untersucht, aus den übrigen Funde
geborgen.
Stelle 2: gemauerter Schacht aus Kalk- und Sandstei-
nen sowie Backsteinen (an Flickstellen) in Mörtelbin-
dung mit einer Bodenisolierung aus örtlich anstehen-
dem Geschiebelehm, in den die Kloake hineingebaut
worden ist. Charakteristisch für diesen Bautyp Via
(Abb. 25, S. 54) ist die Spitzwinkligkeit einer Ecke,
so daß stets eine Wand schräg verläuft (vgl. Stgr. 32).
Maße: ca. 1,90 x 2,50 m; T. ca. 1,50 m; Mauerstärke
0,30 — 0,35 m. Füllung: humoser, fundreicher Bau-
schutt bis in Tiefen von ca. 0,90 m (18. Jh.). Aus der
noch nicht humos umgesetzten Fäkalfüllung unterhalb
des Bauschutts stammt ein sehr zahlreiches, vielgestal-
tiges Fundmaterial an einfarbiger glasierter sowie be-
malter Irdenware (Weserware), Hohlglas und Stein-
zeug, das in den Zeitraum Ende 16./I. Hälfte 17. Jh.
zu datieren ist. Eine spätmittelalterliche Herkunft der
Kloake und mehrfache Ausräumungen sind anzuneh-
men.
Stelle 5: Progressiver Typ einer rechteckigen Fäkal-
grube (ca. 2,20 x 1,60 m; erh. T. ca. 0,60 m) mit
abgespundeten, angespitzten Rundhölzern (ohne Bau-
grube), wannenartiger Tonisolierung und Faßdauben-
wandung aus dem 14. Jh. (Abb. 23, Typ IVb). Pro-
beentnahme für paläo-ethnobotanische und parasito-
logische Untersuchungen (vgl. Beiträge Willerding,
S. 204ff. und Herrmann, S. 221 ff.).
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UB IV, V / 78: 5l / Aegidienmarkt 12: umgesetztes Lei-
sewitz-Haus von der Wallstraße 8 (Wiederaufbau
1978/79) / ass. 2578 und südl. Hanggelände Köppe-
berg/ St. Ilien - Markt, St. Ilien — Hof.
Fundbergung auf 750 m2 vom 2. 2. bis 23. 4. 1978, spo-
radisch.
Beim Ausheben der Baugrube für das hierher umge-
setzte Johann-Anton-Leisewitz-Haus aus der Wall-
straße (vgl. Stgr. 3) wurde als Streugut im braungelben
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