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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0139
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UB VI / 83:1 / Gördelingerstraße 41, 42 (1944); Schützen-
straße 6, 7-2(1944) / Fl. 15, Fist. 418/1-4,417/1; Fl.
2, Fist. 110, 408-410 / ass. 81, 82; ass. 112-115 /
golingestrate (1248); Scuttenstrate (1314).
Objektgrabung auf 2750 m2 vom 17. 5. bis 30. 6.1983.
In abgestimmter Zusammenarbeit mit der Architek-
tengruppe Westermann sind im Zuge des Neubaus der
Hauptstelle Braunschweig der Landeszentralbank Nie-
dersachsen systematische Untersuchungen zu Lage,
Bautyp und Datierung der Brunnen und Kloaken auf
den beiden Kemenatenparzellen ass. 81 u. 82 (Flesche
1949, 25) an der Gördelingerstraße 41 u. 42 sowie auf
den entspr. Grundstücken ass. 112—115 an der Schüt-
zenstraße durchgeführt worden.
Von einer bautechnischen Injektionsebene aus, die
gleichmäßig auf Höhe NN 69 m — unterhalb der Alt-
bau-Kellersohle und noch oberhalb des Grundwasser-
spiegels — angelegt und zugleich archäologisch als
Fundhorizont eingerichtet wurde, konnten alle Brun-
nen und Kloaken, die nicht durch den neuzeitlichen,
nachträglichen Kellereinbau beseitigt worden waren,
erfaßt und ausgegraben werden. In ungestörten Hof-
bereichen mit einer kontinuierlichen Stratigraphie seit
der mittelalterlichen Aufsiedlung sind Kloaken nicht
angetroffen worden.
Herauszuheben sind unter neun Kloaken der Typen I
und VI a und einem Brunnen des Typs III Befunde und
Funde einer bruchsteingemauerten Kloake mit spitz-
winkliger Ecke (Typ VI a, Abb. 25, S. 54) der Stelle
1 auf ass. 81, Gördelingerstraße 41. Der Fundkomplex
mit 116 Teilen von Keramik, Hohlglas, Holzgeschirr
und Schuhwerk aus einer 25 cm mächtigen Boden-
schicht ist aufgrund der Glasbechertypen und der bau-
chigen Siegburger Steinzeugkrüge mit Steilrand (vgl.
Tab. 5, S. 41) in das 1. Viertel des 14. Jhs. zu datieren.
Seine Entstehung ist nach Bernd Herrmann (1984,
briefl. Mitteilung) auf zwei bis vier Jahre einzuschrän-
ken, je nachdem ob der Benutzerkreis der Kloake mit
5 oder 10 Vollpersonen angenommen wird.
„Der archäologische Befund erbrachte eine 25 cm
mächtige Schicht Fäkalmasse, bezogen auf den Kloa-
kenraum 2,1 m3. Dies entspricht rund einem Zehntel
des ehemaligen Fassungsvermögens.
Aufgrund günstiger Randbedingungen läßt sich eine
plausible Hochrechnung über den Benutzungszeit-
raum der Kloake durchführen, nach dem jene 25 cm
mächtige Schicht erreicht war.
In den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
gegebenen Empfehlungen (Wagner u. Lanoix 1958, 46;
vgl. Beitrag Herrmann, S. 223) wird für Kloaken, die
neben Fäkalien auch noch festes Reinigungsmaterial
aufzunehmen haben, bis zu 0,09 m3 pro Person und
Jahr als Klärschlammenge angenommen, wobei ein



Abb. 75 Burgbezirk, Vieweg-Haus (Stadtgrabung 31).
Wellenrandhufeisen, Fragment (1); wohl 10. Jh. Stadtgra-
bung 27; 12. Jh. (2). M. 1:2.

linearer Zusammenhang zwischen Klärschlammenge
und Nutzungszeit bestehen soll.
Für die angenommenen 5 oder 10 Vollpersonen ergibt
sich näherungsweise als jährliche Menge 0,45 oder 0,9
m3, etwas weniger als ein halber oder ein Kubikmeter.
Danach waren für die 2,1 m3 Füllmenge etwas mehr
als vier Jahre bei fünf Vollpersonen oder etwas mehr
als zwei Jahre zehn Vollpersonen erforderlich, viel-
leicht ein bißchen mehr oder ein bißchen weniger. In
dieser Schätzung ist eine sukzessive Kondensation des
Klärschlammes nicht berücksichtigt. Man kann sich
aber vorstellen, daß diese Volumenverminderung
durch Einbringen organischer wie anorganischer Ab-
fälle kompensiert wird.“
Im Rahmen der bislang vorliegenden weiteren inter-
disziplinären Untersuchungen zur Stelle 1 ist nach E.
May auf den Befund zu verweisen, daß sich Knochen-
abfälle von Geflügel, Rind und Schaf/Ziege in der
Deponie befanden, jedoch nicht solche vom Schwein,

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