Paläo-ethnobotanische Befunde über Ernährung
und Umwelt im Mittelalter Braunschweigs
Ulrich Willerding
Die derzeitigen Kenntnisse über Ernährung und Um-
weltverhältnisse der Menschen im Mittelalter sind viel-
fach noch sehr lückenhaft. In der Regel beruhen sie
weitgehend auf den Aussagen schriftlicher Quellen und
früher Städte-Ansichten.
Über das tägliche Leben der Menschen und damit auch
über ihre Ernährung informieren allerdings nur wenige
schriftliche Zeugnisse. Gewisse Vorstellungen über
Zusammensetzung und Zubereitung der Nahrung ge-
hobener Schichten lassen sich nach J. M. van Winter
(1975: 197) jedoch aus einigen Kochbüchern des späten
Mittelalters entnehmen. Mitteilungen über die Lebens-
verhältnisse der unteren Schichten, die weder schreiben
noch lesen konnten, fehlen aber nahezu vollständig.
Lediglich auf der Grundlage von Abgaben-Listen und
ähnlichen Quellen, aus denen ersichtlich wird, welche
Kulturpflanzen in den einzelnen Landschaften ange-
baut wurden bzw. welche Produkte abgegeben oder
gehandelt worden sind, können ganz allgemeine Vor-
stellungen über die Ernährungssituation entwickelt
werden.
Auch hinsichtlich der frühen Städte-Ansichten ergeben
sich manche Probleme. Insbesondere ist zu klären,
wieweit sie die damaligen Umwelt-Verhältnisse richtig
wiedergeben. Der damalige Landschaftszustand im
Nahbereich der Städte dürfte allerdings zumindest in
den Grundzügen stimmen. Ob dabei auch die Details
naturgetreu erfaßt worden sind, wird vielfach offen
bleiben müssen.
Erfreulicherweise liegen von Braunschweig mehrere
frühe Stadtansichten vor (Daum 1980). Mit ihrer Hilfe
läßt sich die Entwicklung von Stadt und Landschaft seit
1545 recht gut verfolgen. Besonderes Interesse verdient
die älteste, von Peter Spitzer (1547 bzw. 1545)1 stam-
mende Stadtansicht (Abb. 1). Der Landschaftszustand
dürfte in der Mitte des 16. Jhs. noch weitgehend dem
des Spät-Mittelalters entsprochen haben. Demnach lag
vor den Toren der Stadt im Westen ein weithin offenes
Gebiet, in dem Landwirtschaft und Gartenbau betrie-
ben wurde.
An manchen aus der Stadt führenden Wegen standen
unmittelbar vor den Toren noch einige Fachwerkhäu-
ser. Für die direkt hinter ihnen gelegenen, von Flecht-
zäunen umgebenen Flächen sind allerdings keine nut-
zungsspezifischen Details auszumachen. Daher bleibt
unklar, ob es sich um Hofflächen oder Gartenland han-
delte. Auch im Bereich südlich (Abb. 1, rechts) des
zentralen, nach Westen führenden Weges waren die
Nutzflächen gegen die Wege durch Flechtzäune abge-
grenzt. Mehrere überdachte Tore ermöglichten den
Zugang zu ihnen. Vermutlich handelte es sich um Gar-
tenland. Die Größe der Flächen deutet ebenso wie die
Art ihrer Unterteilung in Beete darauf hin. Freilich ist
nicht völlig auszuschließen, daß es sich dabei auch um
die als Wölbäcker bekannten Ackerbeete handeln
könnte. Die wohl auf dem Holzschnitt Spitzers auf bau-
ende, aus dem Jahr 1574 stammende Radierung in ,,Ci-
vitates orbis terrarum“ von G. Braun und F. Hogen-
berg (Daum 1980: 106) zeigt in diesem Bereich jeden-
falls als Gartenbeete aufzufassende Einteilungen. Das
gilt entsprechend für eine Radierung von 1616 aus
P. Bertius „Comm. Rer. Germ. Liber III“ (Daum
1980: 106).
Nördlich des genannten Weges scheint hingegen zwi-
schen den Hausgrundstücken zunächst (1545) noch
Ackerland gelegen zu haben. Es war durch Zäune abge-
grenzt gegen die direkt hinter den Häusern befindli-
chen Gebiete. Vor dem nächsten, in nördlicher Rich-
tung folgenden Stadttor lag eine von Kopfweiden um-
gebene Fläche mit einem Brunnen. Hierbei dürfte es
sich um Weideland gehandelt haben (Abb. 1).
Die Abbildungen aus dem 17. Jh. zeigen, daß die Gar-
tenflächen westlich der Stadt erheblich zugenommen
hatten. Der Merian-Stich von 1654 macht das beson-
ders deutlich (Daum 1980: 108).
Ob es innerhalb der Stadtbefestigung auch noch Gar-
tenflächen gegeben hat, ist aus den frühen Abbildungen
nicht zu ersehen.
Außer derartigen zeitgenössischen Quellen können
aber auch Pflanzenreste Aufschluß geben über die Er-
201
und Umwelt im Mittelalter Braunschweigs
Ulrich Willerding
Die derzeitigen Kenntnisse über Ernährung und Um-
weltverhältnisse der Menschen im Mittelalter sind viel-
fach noch sehr lückenhaft. In der Regel beruhen sie
weitgehend auf den Aussagen schriftlicher Quellen und
früher Städte-Ansichten.
Über das tägliche Leben der Menschen und damit auch
über ihre Ernährung informieren allerdings nur wenige
schriftliche Zeugnisse. Gewisse Vorstellungen über
Zusammensetzung und Zubereitung der Nahrung ge-
hobener Schichten lassen sich nach J. M. van Winter
(1975: 197) jedoch aus einigen Kochbüchern des späten
Mittelalters entnehmen. Mitteilungen über die Lebens-
verhältnisse der unteren Schichten, die weder schreiben
noch lesen konnten, fehlen aber nahezu vollständig.
Lediglich auf der Grundlage von Abgaben-Listen und
ähnlichen Quellen, aus denen ersichtlich wird, welche
Kulturpflanzen in den einzelnen Landschaften ange-
baut wurden bzw. welche Produkte abgegeben oder
gehandelt worden sind, können ganz allgemeine Vor-
stellungen über die Ernährungssituation entwickelt
werden.
Auch hinsichtlich der frühen Städte-Ansichten ergeben
sich manche Probleme. Insbesondere ist zu klären,
wieweit sie die damaligen Umwelt-Verhältnisse richtig
wiedergeben. Der damalige Landschaftszustand im
Nahbereich der Städte dürfte allerdings zumindest in
den Grundzügen stimmen. Ob dabei auch die Details
naturgetreu erfaßt worden sind, wird vielfach offen
bleiben müssen.
Erfreulicherweise liegen von Braunschweig mehrere
frühe Stadtansichten vor (Daum 1980). Mit ihrer Hilfe
läßt sich die Entwicklung von Stadt und Landschaft seit
1545 recht gut verfolgen. Besonderes Interesse verdient
die älteste, von Peter Spitzer (1547 bzw. 1545)1 stam-
mende Stadtansicht (Abb. 1). Der Landschaftszustand
dürfte in der Mitte des 16. Jhs. noch weitgehend dem
des Spät-Mittelalters entsprochen haben. Demnach lag
vor den Toren der Stadt im Westen ein weithin offenes
Gebiet, in dem Landwirtschaft und Gartenbau betrie-
ben wurde.
An manchen aus der Stadt führenden Wegen standen
unmittelbar vor den Toren noch einige Fachwerkhäu-
ser. Für die direkt hinter ihnen gelegenen, von Flecht-
zäunen umgebenen Flächen sind allerdings keine nut-
zungsspezifischen Details auszumachen. Daher bleibt
unklar, ob es sich um Hofflächen oder Gartenland han-
delte. Auch im Bereich südlich (Abb. 1, rechts) des
zentralen, nach Westen führenden Weges waren die
Nutzflächen gegen die Wege durch Flechtzäune abge-
grenzt. Mehrere überdachte Tore ermöglichten den
Zugang zu ihnen. Vermutlich handelte es sich um Gar-
tenland. Die Größe der Flächen deutet ebenso wie die
Art ihrer Unterteilung in Beete darauf hin. Freilich ist
nicht völlig auszuschließen, daß es sich dabei auch um
die als Wölbäcker bekannten Ackerbeete handeln
könnte. Die wohl auf dem Holzschnitt Spitzers auf bau-
ende, aus dem Jahr 1574 stammende Radierung in ,,Ci-
vitates orbis terrarum“ von G. Braun und F. Hogen-
berg (Daum 1980: 106) zeigt in diesem Bereich jeden-
falls als Gartenbeete aufzufassende Einteilungen. Das
gilt entsprechend für eine Radierung von 1616 aus
P. Bertius „Comm. Rer. Germ. Liber III“ (Daum
1980: 106).
Nördlich des genannten Weges scheint hingegen zwi-
schen den Hausgrundstücken zunächst (1545) noch
Ackerland gelegen zu haben. Es war durch Zäune abge-
grenzt gegen die direkt hinter den Häusern befindli-
chen Gebiete. Vor dem nächsten, in nördlicher Rich-
tung folgenden Stadttor lag eine von Kopfweiden um-
gebene Fläche mit einem Brunnen. Hierbei dürfte es
sich um Weideland gehandelt haben (Abb. 1).
Die Abbildungen aus dem 17. Jh. zeigen, daß die Gar-
tenflächen westlich der Stadt erheblich zugenommen
hatten. Der Merian-Stich von 1654 macht das beson-
ders deutlich (Daum 1980: 108).
Ob es innerhalb der Stadtbefestigung auch noch Gar-
tenflächen gegeben hat, ist aus den frühen Abbildungen
nicht zu ersehen.
Außer derartigen zeitgenössischen Quellen können
aber auch Pflanzenreste Aufschluß geben über die Er-
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