Stadtgrabung 21
Die St.-Ulrichs-Kirche zu Braunschweig
nach den Schriftquellen
Christof Römer
Die Überlieferung
Der erste Historiker, der über die älteste Bürgerkirche
der Altstadt Braunschweig berichtete, ist der „Reim-
chronist“ vom Ende des 13. Jahrhunderts1. Der Reim-
chronist bettet die Nachricht von der Weihe der St.-Ul-
richs-Kirche durch Bischof Godehard von Hildesheim
(1022-1038) in die Tätigkeit des brunonischen Grafen
(und Markgrafen) Ludolf ein, dem Herrn Braun-
schweigs von 1010 bis 10382. Die Ermittlungen der hi-
storiographischen Forschung ergaben, daß der weifen-
freundliche Reimchronist3 seinen Vorlagen mit großer
Sorgfalt gefolgt ist und als offensichtlicher Kenner der
stadtbraunschweigischen Verhältnisse auch sonst nicht
belegte Informationen eingebracht hat4. Zu diesen In-
formationen „aus verschollenen Quellen“, deren Au-
thentizität bisher nicht angezweifelt wurde, gehört
auch die Weihenachricht von St. Ulrich.
Die Humanisten des 16. und 17. Jahrhunderts fußten
auf dieser Nachricht. Heinrich Büntings „Braun-
schweigische Chronica“ von 1620 rühmt den Markgra-
fen Ludolf als Erbauer dreier Kirchen: der St.-Peter-
und-Paul-Kirche in der Burg (= der spätere „Dom“),
der St.-Magni-Kirche in der Altenwiek und der St.-Ul-
richs-Kirche in der Altstadt5. Philipp Julius Rehtmeyer
schreibt in „Der berühmten Stadt Braunschweig Kir-
chen-Historie“ 1707: „Bey Hoch—ermeldten Marek-
Grafen Ludolphs Zeiten ist auch die St. Ulrichs-Kirche
auf sein Angeben in der alten Stadt erbaut worden /
ohngefehr an demjenigen Ort / wo nachher die Wage
hingebauet / und heutiges Tages (= 1707!) das Pro-
viant-Hauß auf dem Kohlmarkt stehet. Wie es sonst
mit dieser Kirchen beschaffen gewesen, kan in Erman-
gelung der documenten nicht melden... “ - im „Supp-
lementum“ seiner „Kirchen-Historie“ hat Rehtmeyer
dann einiges nachgeholt6. Vormals sei die St.-Ul-
richs-Kirche im Jahre 1544 „ohne Wissen und Willen
ihres Hertzogen / der damahls von Chur-Fürst Johann
Friedrich zu Sachsen / und Landgraff Philipp zu Hes-
sen / aus seinem Lande vertrieben war / abgebrochen /
weil in denen Läufften nicht wohl möglich gewesen /
das schon angefangene neue Gebäu zu vollführen / und
das Alte so baufällig gewesen / daß es nicht länger nicht
stehen / noch in Wesen behalten mögen...“7.
Der Kirchenhistoriker Rehtmeyer hat schon das Braun-
schweiger Stadtarchiv („Archivum senatum“) benutzt.
Es ist auch heute noch die fast ausschließliche Quelle
unserer Kenntnis über die St.-Ulrichs-Kirche bzw.
über die Geschichte der Pfarrei bis 1544 - der Abbruch
der Kirche sei hier als Grenzdatum gewählt.
Im Stadtarchiv Braunschweig gehören dem Urkunden-
bestand St.-Ulrichs-Kirche für die Zeit bis 1544 z.Z. 83
Stücke an8. Die kopialische Überlieferung im Stadtar-
chiv Braunschweig sowie im Niedersächsischen Staats-
archiv Wolfenbüttel weist eine erheblich größere Zahl
von Urkunden nach9. Diese Urkunden gehören teils
zum erst seit 1554 der St.-Ulrichs-Kirche zugeordneten
Kaland St. Gertrud, teils sind sie heute anderen Urkun-
denfonds zugeteilt. Urkunden sonstiger geistlicher
Einrichtungen wie etwa der Stifte St. Blasius und
St. Cyriacus sowie Beurkundungen der Stadt und des
Herzogs bieten einige wichtige Ergänzungen10. Im 16.
Jahrhundert setzt dann wie üblich die aktenmäßige
Überlieferung ein, sie bleibt jedoch vor 1544 noch
ziemlich sporadisch; auch Rechnungsbücher u.ä.
Quellen fehlen fast ganz11. So bleiben die Urkunden die
Hauptquellen unserer Kenntnis, seien diese nun ge-
druckt oder ungedruckt12.
Die „Marktkirche“ des 11./12. Jahrhunderts
Der Reimchronist gruppiert seine Geschichtserzählung
um die Person der brunonischen Grafen und ihrer Fort-
setzer. In der Darstellung über den Grafen Ludolf
(t 1038) kommt er auch auf die Tätigkeit des hl. Gode-
hard zu sprechen; dieser habe 1036 seinen Halberstäd-
ter Amtsbruder zum neuen Bischof geweiht. Darauf
folgen die Verse (V1615-1618 der Edition Weiland)13
„her wigete ouch algeliches
dhe kerken sente Olriches
in dher aldhen stat zo Bruneswich
daz nu began sus breyten sich“.
225
Die St.-Ulrichs-Kirche zu Braunschweig
nach den Schriftquellen
Christof Römer
Die Überlieferung
Der erste Historiker, der über die älteste Bürgerkirche
der Altstadt Braunschweig berichtete, ist der „Reim-
chronist“ vom Ende des 13. Jahrhunderts1. Der Reim-
chronist bettet die Nachricht von der Weihe der St.-Ul-
richs-Kirche durch Bischof Godehard von Hildesheim
(1022-1038) in die Tätigkeit des brunonischen Grafen
(und Markgrafen) Ludolf ein, dem Herrn Braun-
schweigs von 1010 bis 10382. Die Ermittlungen der hi-
storiographischen Forschung ergaben, daß der weifen-
freundliche Reimchronist3 seinen Vorlagen mit großer
Sorgfalt gefolgt ist und als offensichtlicher Kenner der
stadtbraunschweigischen Verhältnisse auch sonst nicht
belegte Informationen eingebracht hat4. Zu diesen In-
formationen „aus verschollenen Quellen“, deren Au-
thentizität bisher nicht angezweifelt wurde, gehört
auch die Weihenachricht von St. Ulrich.
Die Humanisten des 16. und 17. Jahrhunderts fußten
auf dieser Nachricht. Heinrich Büntings „Braun-
schweigische Chronica“ von 1620 rühmt den Markgra-
fen Ludolf als Erbauer dreier Kirchen: der St.-Peter-
und-Paul-Kirche in der Burg (= der spätere „Dom“),
der St.-Magni-Kirche in der Altenwiek und der St.-Ul-
richs-Kirche in der Altstadt5. Philipp Julius Rehtmeyer
schreibt in „Der berühmten Stadt Braunschweig Kir-
chen-Historie“ 1707: „Bey Hoch—ermeldten Marek-
Grafen Ludolphs Zeiten ist auch die St. Ulrichs-Kirche
auf sein Angeben in der alten Stadt erbaut worden /
ohngefehr an demjenigen Ort / wo nachher die Wage
hingebauet / und heutiges Tages (= 1707!) das Pro-
viant-Hauß auf dem Kohlmarkt stehet. Wie es sonst
mit dieser Kirchen beschaffen gewesen, kan in Erman-
gelung der documenten nicht melden... “ - im „Supp-
lementum“ seiner „Kirchen-Historie“ hat Rehtmeyer
dann einiges nachgeholt6. Vormals sei die St.-Ul-
richs-Kirche im Jahre 1544 „ohne Wissen und Willen
ihres Hertzogen / der damahls von Chur-Fürst Johann
Friedrich zu Sachsen / und Landgraff Philipp zu Hes-
sen / aus seinem Lande vertrieben war / abgebrochen /
weil in denen Läufften nicht wohl möglich gewesen /
das schon angefangene neue Gebäu zu vollführen / und
das Alte so baufällig gewesen / daß es nicht länger nicht
stehen / noch in Wesen behalten mögen...“7.
Der Kirchenhistoriker Rehtmeyer hat schon das Braun-
schweiger Stadtarchiv („Archivum senatum“) benutzt.
Es ist auch heute noch die fast ausschließliche Quelle
unserer Kenntnis über die St.-Ulrichs-Kirche bzw.
über die Geschichte der Pfarrei bis 1544 - der Abbruch
der Kirche sei hier als Grenzdatum gewählt.
Im Stadtarchiv Braunschweig gehören dem Urkunden-
bestand St.-Ulrichs-Kirche für die Zeit bis 1544 z.Z. 83
Stücke an8. Die kopialische Überlieferung im Stadtar-
chiv Braunschweig sowie im Niedersächsischen Staats-
archiv Wolfenbüttel weist eine erheblich größere Zahl
von Urkunden nach9. Diese Urkunden gehören teils
zum erst seit 1554 der St.-Ulrichs-Kirche zugeordneten
Kaland St. Gertrud, teils sind sie heute anderen Urkun-
denfonds zugeteilt. Urkunden sonstiger geistlicher
Einrichtungen wie etwa der Stifte St. Blasius und
St. Cyriacus sowie Beurkundungen der Stadt und des
Herzogs bieten einige wichtige Ergänzungen10. Im 16.
Jahrhundert setzt dann wie üblich die aktenmäßige
Überlieferung ein, sie bleibt jedoch vor 1544 noch
ziemlich sporadisch; auch Rechnungsbücher u.ä.
Quellen fehlen fast ganz11. So bleiben die Urkunden die
Hauptquellen unserer Kenntnis, seien diese nun ge-
druckt oder ungedruckt12.
Die „Marktkirche“ des 11./12. Jahrhunderts
Der Reimchronist gruppiert seine Geschichtserzählung
um die Person der brunonischen Grafen und ihrer Fort-
setzer. In der Darstellung über den Grafen Ludolf
(t 1038) kommt er auch auf die Tätigkeit des hl. Gode-
hard zu sprechen; dieser habe 1036 seinen Halberstäd-
ter Amtsbruder zum neuen Bischof geweiht. Darauf
folgen die Verse (V1615-1618 der Edition Weiland)13
„her wigete ouch algeliches
dhe kerken sente Olriches
in dher aldhen stat zo Bruneswich
daz nu began sus breyten sich“.
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