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Stadtarchäologie in Braunschweig — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 3: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.57459#0261
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Nichts spricht dagegen, unter den Besitzern etwa der
vier kleinen Fleischscharren auf der Jöddenstraße
schon 1320 auch Juden anzunehmen, die dort dann
nach 1339 den nach wie vor erlaubten Verkauf an ihre
Glaubensgenossen betrieben.
Auch für das 15. Jh. gibt es Hinweise, die eine Tätigkeit
der Juden im Fleischerhandwerk nicht ausgeschlossen
erscheinen lassen.
1434 erwirbt „Jorden sumeken de Jodde... dat hus to
dem gronen bome... vnde schal dar to hebben den stal
gelik dem huse“68.
1436 bezieht David der Jude „dat hus by de grone
bome... vn schal In den hoffe buwen stalle un hinder-
huse“69.
Noch 1436 wird neben einem bereits errichteten ein
weiterer Stall angelegt; die darin betriebene Viehhal-
tung kann durchaus zum Zweck des gewerblichen
Fleischverkaufs erfolgt sein.

IV. Die Vermögensverhältnisse
Über die Vermögensverhältnisse der einzelnen Bewoh-
ner der Parzellen ass. Nr. 1362-64 und 1371-73 ist so-
wohl für das 14. wie für das 15. Jh. Greifbares nur
schwer zu ermitteln.
Aus der Zusammenstellung der Abgaben, wie sie seit
1401 von den verschiedenen Bewohnern der genannten
Parzellen an den Rat der Neustadt zu entrichten waren,
ergeben sich jedoch zwei erwähnenswerte Beobach-
tungen70:
Tabelle 3

Jahr/
ass. Nr.
1401
seit
1401
1419
1423
1426
1442
1362
18
60
30
45
-
1363
40
60




1364
26.25
-
-
-

60
1371
15
15
-
-
-
-
1372
15
15


-
-
1373
8
10


37.50


(Beträge in Schilling; die Mark gerechnet zu 30 Schilling)

1. Auffallend ist die fast durchweg deutlich höhere
Belastung der Parzellen an der Südseite der Jödden-
straße, verglichen mit den Grundstücken und Gebäu-
den der Nordseite. Möglicherweise trug die unter-
schiedliche Abgabenhöhe dem Umstand Rechnung,
daß die Liegenschaften ass. Nr. 1371-73 doch erheb-
lich kleiner ausfielen, als die drei Parzellen ass. Nr.
1362—64. Denkbar ist jedoch auch, daß die in der
Jöddenstraße ansässigen Juden im 15. Jh. allgemein zu
höheren Leistungen verpflichtet waren als die dortige
christliche Bevölkerung: 1401 jedenfalls zahlten die

Juden an der Südseite der Straße fast alle zwei, die
christlichen Anwohner auf der gegenüberliegenden
Straßenseite aber nur durchschnittlich eine halbe Mark
Miete71 — ein Unterschied der Mietbelastung zwischen
Juden und Christen, der sich bis zur Mitte des Jhs.
verfolgen läßt und seinen vielleicht deutlichsten Aus-
druck darin findet, daß die 1426 auf die Parzelle ass.
Nr. 1373 gezogene Witwe des Juden Jacob einen er-
heblich höheren Mietzins zu begleichen hatte als ihr
Vormieter Hening Grünte 140172.
Nicht zuletzt kann daher die Vermutung formuliert
werden, daß die Finanzkraft der jüdischen Anwohner-
schaft aufs Ganze gesehen doch stets höher lag als die
ihrer christlichen Nachbarn.
Ein Moment, das diese Annahme stützen kann, liegt
darin, daß die Neustädter Juden neben ihren Mietzins-
leistungen an das Weichbild „der gemeinen Stadt zu
Pfingsten ein für kurze Zeit im voraus vereinbartes
Schutzgeld“ zu bezahlen hatten73. Dieses jährliche
Schutzgeld, das ursprünglich von den Braunschweiger
Juden an die welfischen Herzöge entrichtet wurde und
im Laufe des 14. Jhs. durch Verpfändung seitens der
Herzöge an die gemeine Stadt gelangt war, wurde von
allen Braunschweiger Juden (also auch von den in der
Gördelingerstraße ansässigen Juden) erhoben74. 1351
erstmals als städtische Einnahme erwähnt, weist die
Höhe des Judenschutzgeldes zwar mitunter beträchtli-
che Schwankungen auf; die zu entrichtende Summe
blieb jedoch bis zum Ablauf des 15. Jhs. stets beachtlich
und weist auf eine im großen und ganzen durch die
Jahrzehnte hindurch ungeschwächte Finanzkraft der
Juden75:
Tabelle 4

Jahr
Jahr
Jahr
1351
80
1400
45
1412-15
15
1354
30
1401
45
1416-19
20
1358
24
1403
20
1420
16
1360
13
1406
20
1422
22
1397-99
50
1411
14
1423
16

(Beträge in Mark)
Ende des 15. Jhs. scheinen die Zahlungen der Juden an
die Stadt nach ihrem Absinken im ersten Vierteljahr-
hundert dann wieder ein erhebliches Niveau erreicht zu
haben. 1499 nimmt die Neustadt zwei jüdische Fami-
lien für die Dauer von zwanzig Jahren auf und trifft fol-
gende Entscheidung:
„Ok schulle de vorgemelten Jodden den anderen Jod-
den hijr wonende to dem jarliken Schote vnd anderen
vmplichten vertich rinsche guld(en) an golde offte gelde
jarlikes to hülpe geuen“76.
Man darf annehmen, daß der Gesamtbetrag des von den
Juden zu entrichtenden Schutzgeldes die genannten

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