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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0013
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Ulrich Hussong
Die Verfassung der Stadt Duderstadt in Mittelalter
und früher Neuzeit

Die vorliegende Untersuchung will keinen Über-
blick über die Geschichte Duderstadts geben, son-
dern sie beschränkt sich — der Thematik des Bandes
angepaßt — auf die Darstellung der verfassungsge-
schichtlichen Strukturen der Stadt. Andere Berei-
che, insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung
oder der Sozialaufbau, können deshalb nur am
Rande gestreift oder gar nicht behandelt werden.
Mittelalter und frühe Neuzeit, als deren Beginn
in Deutschland üblicherweise die Reformation an-
gesehen wird, lassen sich in der Duderstädter Ge-
schichte nur schwer voneinander trennen; zu sehr
überwiegen die Gemeinsamkeiten beider Epochen,
zu wenig treten die Umgestaltungen des 16. bis 18.
Jahrhunderts zutage. Als Zäsur wirkte dagegen das
Jahr 1802. Mit ihm endete die lange, fast ein halbes
Jahrtausend währende Zugehörigkeit Duderstadts
zum Erzstift Mainz, und es begann für die Stadt
eine Zeit des Umbruchs, die in einer vollständigen
Umgestaltung der städtischen Verfassung gipfelte
und in vielen Bereichen eigentlich erst das Mittelal-
ter ablöste. Es bot sich deshalb an, das Jahr 1802 als
Zeitgrenze zu wählen und mit ihm die ältere Verfas-
sungsgeschichte Duderstadts abzuschließen.

Die Anfänge der Stadt
927 beziehungsweise 929 wurde zum ersten Mal
Duderstadt erwähnt, und zwar als ,Ort’, worunter
man, wie der Zusammenhang zu erkennen gibt,
einen Wirtschaftshof verstehen muß, zu dem sehr
wahrscheinlich eine Befestigung und vielleicht
auch eine Kirche gehört hat.1) In den folgenden drei
Jahrhunderten, in denen Duderstadt bis 968 als
Wittum der Königin Mathilde diente, dann an das
Herrscherhaus zurückfiel und 974 von Kaiser Otto
II. an das Frauenstift Quedlinburg geschenkt
wurde, wird sich um den Hof als Ausgangspunkt
eine Siedlung entwickelt haben. Nachrichten dar-

über gibt es nicht, doch deuten Bezeichnungen wie
„villa“ (1208) und die Existenz von Geistlichen
(1204) oder gar einer Pfarrkirche (1236) und von
Pfarrgeistlichen (1237, 1238) darauf hin.2) Sie be-
gann der umliegenden Gegend den Namen zu ge-
ben; es ist in den Urkunden von einem ,Territo-
rium', einer ,Mark' Duderstadt die Rede.3) Den-
noch kann von einer Stadt im eigentlichen Sinne
nicht gesprochen werden. Das änderte sich kurz
nach 1236, als das Stift Quedlinburg dem Landgra-
fen Heinrich Raspe von Thüringen und seinem
Neffen Hermann alle Güter in der Mark Duder-
stadt gegen Zahlung von 1120 Mark zu Lehen auf-
trug4), weil — so wird 1241 erläutert — die Unge-
rechtigkeiten und Gewalttaten der Klostervögte
nicht mehr zu ertragen gewesen seien.5) Die außer-
ordentlich hohe Kaufsumme belegt den Wert des
Ortes und gibt so einen Fingerzeig, daß er sich be-
reits in recht ausgebautem Zustand befand. 1241
werden dann ein Schultheiß und „burgenses“ ge-
nannt, vor denen ein Rechtsgeschäft abgeschlossen
wird.6) Die Existenz eines Schultheißen (der das
Gericht leitet), vor allem jedoch die Benennung
von ,Bürgern' (die als Personen gleichen Rechtes
sich von der Bevölkerung des umliegenden Landes
unterscheiden) zeigt an, daß die Stadterhebung be-
reits erfolgt sein muß. Jedoch sind noch nicht alle
Elemente einer ausgebildeten Stadtverfassung zu
greifen, insbesondere fehlt es an einem Stadtrecht.
Ausgestaltung älterer Siedlungen zu Städten wie
auch Neugründungen dienten der Herrschaftsbil-
dung, indem sie Mittelpunkte der Verwaltung schu-
fen, die wirtschaftliche Entwicklung förderten und
das Land durch ihre Befestigung schützten. Als
wirksames Mittel der Territorialpolitik löste die
Stadt Kloster und Burg ab. Die Landgrafen von
Thüringen haben seit 1170 in ihren thüringischen,
seit 1180 in ihren hessischen Territorien eine große
Anzahl von Städten gegründet, so daß man mit
Recht von einer „landgräflichen Städtepolitik“

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