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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0022
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ULRICH HUSSONG

Diese Version der Geschehnisse, wie sie der
Duderstädter Stadtschreiber überliefert, muß etwas
korrigiert werden durch die Mainzer Überliefe-
rung. Danach weigerten sich die Duderstädter an-
fangs wie bei einem vorangegangenen Besuch 1440,
Huldigung und Gelöbnis auszusprechen, bevor
eine besiegelte Urkunde über die Bestätigung der
Freiheiten ihnen überreicht worden sei. Doch der
Erzbischof bestand darauf, erst zu huldigen, dann
wolle er allerdings die Privilegien in der gewünsch-
ten Form bestätigen. So geschah es, und es leisteten
erst Rat und Schöffen, dann Gilden und Gemein-
heit ihren (unwesentlich voneinander abweichen-
den) Eid.114’ Der Duderstädter Stadtschreiber hat
also in seiner Version — die natürlich die offizielle
Selbstdarstellung der Stadt ist — den von den
Duderstädtern angestrebten Ablauf der Ereignisse
als den tatsächlichen dargestellt und den Eingriff
des Erzbischofs in die Regie verschwiegen.
Bis zum 21. Oktober blieb der Kurfürst, dann
nahm er zusammen mit dem Herzog von Sachsen
die Verfolgung des Oberamtmanns auf. Nach der
Besetzung von Gieboldehausen, Heiligenstadt und
des Rustebergs innerhalb weniger Tage war der
Erzbischof schnell Herr der Lage. Am 30. Oktober
kehrte er nach Duderstadt zurück und hielt Gericht.
Berit Karl, der Vogt Michael Borcherd, ein Schuh-
macher und ein Kürschner wurden des Landes ver-
wiesen, eine Reihe von Personen erhielt empfindli-
che Geldstrafen, mußte sich bei Rat und Gildemei-
stern entschuldigen und einen Huldigungseid able-
gen.115) So drakonisch diese Strafen anmuten mö-
gen, ist dennoch sicher, daß Berit Karl und den an-
deren Aufruhr und Verrat nicht nachzuweisen war
— das Urteil wäre in diesem Fall mit Sicherheit an-
ders ausgefallen. Als Unruhestifter, die Beschlüsse
des Rates umzuwerfen suchten, wurden sie angese-
hen; das Strafgericht diente also vornehmlich der
Wiederherstellung der alten Ordnung. Diese war
allerdings durch einige Maßnahmen in der unruhi-
gen Zeit beeinträchtigt worden: im Rechnungsjahr
1478/1479 waren die Kämmerer, also die Beauftrag-
ten des Rates für die Rechnungsführung, ihrer
Funktion enthoben und durch die Viermänner er-
setzt worden. Im folgenden Rechnungsjahr, im Zu-
sammenhang mit den Ereignissen des Oktober
1479, setzte der Erzbischof persönlich zwei der
Viermänner ab und ließ zwei Kämmerer einsetzen,
die zusammen mit den beiden übrig gebliebenen
Viermännern die Rechnung kontrollierten.1161 Er
veranlaßte, daß die Gildemeister alljährlich am
Martinstag (11. November) einen Treueid auf den
Landesherrn abzulegen haben und schwören müs-
sen, nicht gegen die Beschlüsse des Rates zu versto-
ßen. Kurd Wichenand, der den Wortlaut des Eides
notiert hat, merkt an, daß den Gilden viele von
außerhalb in die Stadt gezogene Personen angehö-
ren, die keine Bürger sind und noch nie dem Lan-

desherrn gehuldigt haben, und fügt zur Illustration
hinzu, daß dies selbst für fünf der zehn Gildemei-
ster zutrifft.117)
Die Regelung hatte nicht lange Bestand. Am 29.
November 1482 führten die Gilden den alten Zustand
wieder herbei, indem sie die beiden Kämmerer wie-
der absetzten.118) 1486 fällte der Verweser des Eichs-
feldes, Bruno von Querfurt, einen Schiedsspruch
in dem Streit zwischen dem Rat auf der einen und
den Gildemeistern und der Gemeinheit auf der an-
deren Seite. Der Rat solle in voller Macht die Ge-
schicke der Stadt lenken und zwei Personen aus-
wählen von vieren, die ihm von den Gildemeistern
präsentiert würden. Zusammen mit den beiden
Kämmerern (die ja Ratsmitglieder waren) sollten
diese zwei Einnahmen und Ausgaben tätigen und
am Ende des Rechnungsjahres vor dem neuen Rat
und den alten Gildemeistern Rechenschaft ablegen.
Einen Eid der Gildemeister, der ihre Verpflichtung
gegenüber Rat und Landesherrn beinhaltete, ließ
der Verweser bei gleichem Anlaß aufzeichnen.119)
Der Schiedsspruch wiederholte fast vollständig die
Anordnung des Mainzer Kurfürsten von 1479, doch
auch er konnte die Auseinandersetzung zwischen
Rat und Gilden nicht abschließend regeln. Im
Rechnungsjahr 1492 wurden die Kämmerer von
den Viermännern wieder verdrängte und auch in
den kommenden Jahrzehnten flammte der Streit
wieder auf.120) — Bei seinem Besuch in Duderstadt
1479 setzte der Erzbischof auch einen neuen Vogt
ein, nachdem er den alten ja von seinem Amt entho-
ben hatte. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir noch
einmal etwas über dessen Funktionen. Das Gericht
soll er besitzen und Geleit geben, auch ist ihm ge-
stattet, für sein Amt einen Vertreter zu bestellen.121)

Die städtischen Statuten
Gegen Ende des Mittelalters läßt sich die Ent-
wicklung beobachten, alles in der Stadt geltende
Recht, seien es Stadtrecht, Privilegien der Landes-
herrn, Beschlüsse des Rates oder mündlich tra-
dierte Rechtsgewohnheiten, schriftlich zu fixieren.
Die ältesten überlieferten Statuten stammen aus
dem Jahre 1434; bis 1500 wurden sie mehrfach er-
gänzt und überarbeitet, um dann in der Neuzeit
kaum noch Änderungen zu erfahren.122) Wie schon
dem Stadtrecht von 1279 fehlt auch den Statuten
eine innere Ordnung. Sie enthalten Bestimmungen
aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens, vor
allem aber auch über Bürger und Gäste, Schoß,
Bürgerwehr, Polizei (Sicherheits-, Orts-, Straßen-,
Feld- und Sittenpolizei, wobei unter letzterer Klei-
derordnung, Hochzeits- und Kindtaufordnungen,
Vergnügungen und Religionsvergehen zu zählen
sind; Gewerbepolizei mit Bauordnung, Gilden,
Gewerben, Dienstboten; Markt-, Fremden- und

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