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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0021
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DIE VERFASSUNG DER STADT

diese Stadt als Obergericht anerkannte. Genau des-
halb, weil Duderstadt Braunschweiger Recht be-
saß, suchte Berit Karl die Appellation zu verhin-
dern: die Stadt könne die Sache selbst entscheiden.
Unter dem Drucke der Stimmung des Volkes gab
der Rat nach und ließ von je vier Ratsherren und
Gildemitgliedern einen Ausgleich ausarbeiten.
Knapp zwei Jahre nach Ausbruch des Konflikts ist
nun „frede gheworden twisgen deme rade unde gil-
den“, wie Stadtschreiber Kurd Wichenand die Par-
teien, die hinter den Personen stehen, treffend be-
schreibt.103)
Dennoch war mit diesem Ausgleich der Konflikt
nicht endgültig beigelegt. Der Oberamtmann des
Eichsfeldes, Heinrich von Schwarzburg, nutzte
sein ihm vom Erzbischof von Mainz übertragenes
Amt zu dem Versuch, auf dem Territorium des
Eichsfeldes eine persönliche Herrschaft zu errich-
ten. Nach einigen Übergriffen reagierte der Erzbi-
schof und schickte mehrere Schreiben nach Duder-
stadt, die den Amtmann warnten, sich auch an die-
ser Stadt zu vergreifen, und zugleich die Duder-
städter ermahnten, auf der Hut zu sein. Wegen der
Wichtigkeit der Angelegenheit sind die Schrift-
stücke öffentlich bekannt gemacht worden. „Disse
vorgeschreven breyve unde copien sinth gelesen
vor allen borgern up deme radthuse“, schreibt
Kurd Wichenand.104-1 Die Befürchtung des Erzbi-
schofs war begründet, der Oberamtmann suchte in
der Tat, die wichtigste Stadt des Eichsfeldes auf
seine Seite zu ziehen. Mit einigen vom Adel zog er
nach Duderstadt und bat „den rath unde dey gilde-
mestere up dat rathus tho körnende“105) — wieder
ein Zeichen dafür, daß in dieser Zeit bei politischen
Entscheidungen die Gilden dem Rat gleichberech-
tigt zur Seite standen. In dieser Angelegenheit hiel-
ten die Duderstädter geschlossen zu ihrem Landes-
herrn, so daß Heinrich von Schwarzburg unver-
richteter Dinge wieder abziehen mußte.106-1 Er kehrte
kurz darauf — im Februar 1479 — zurück und ver-
handelte in Berit Karls Haus mit Rat und Gilden,
und diese wiederum berieten sich zwei Tage „up
dem radhuse“.107) Die Lage war kritisch, weil
Schuhmacher, Kürschner und Leinenweber nicht
mit den übrigen Gilden übereinstimmten. Den-
noch gelang es dem Oberamtmann nicht, die „up
des rades dornzen“ versammelten Gilden zu spal-
ten108), so daß er unzufrieden wieder Duderstadt
verließ. Da er zwei weitere Versuche unternahm,
die Stadt in seinen Besitz zu bringen, ließ der Erz-
bischof eine Besatzung in die Stadt legen (Juni 1479)
und veranlaßte seinen Bruder, den Herzog von
Sachsen, gleiches zu tun. Mehrfach wechselte die
Stadt Schreiben mit dem Schwarzburger, und
„rede, gildemestere und gemeyne“ berieten sich
„up dat radhus“.109) Gleichzeitig wandte sie sich hil-
fesuchend an den Erzbischof. Dieser entschloß
sich, das Eichsfeld persönlich aufzusuchen, da die

Zugehörigkeit des Territoriums zum Kurstaat
ernsthaft bedroht schien. Am 24. September 1479
teilte er dem Domkapitel seine Absicht mit, „die
lande inzunehmen und zu bestellen", bat um die
Begleitung von vier Mitgliedern des Kapitels und
um Aufbringung der für die Reise nötigen 2000 bis
3000 Gulden. Das Kapitel war mit allem einver-
standen.110) Am 17. Oktober erreichte er, von Mühl-
hausen kommend, die Stadt, in seinem Gefolge
acht Kapitelherren, vier Rheingrafen, wohl mit 400
Pferden — wie es einem Fürsten zukommt (so der
Berichterstatter Kurd Wichenand). Der Empfang
des Landesherrn — dessen Vorgänger die Stadt
recht häufig besucht hatten — ni) ist bis in die Ein-
zelheiten gehend überliefert und soll ausführlich
wiedergegeben werden, weil er schlaglichtartig
Auskunft gibt über das verfassungsmäßige Verhält-
nis der Stadt zu ihrem Landesherrn und zugleich
Selbstbewußtsein und Bedeutung der Stadt charak-
terisiert.
Vor dem verschlossenen Steintor empfingen den
Zug drei Ratsherren, darunter Bürgermeiser Hans
Sothen, und der Stadthauptmann Burchard von
Eutzenberg. Die vier stiegen von ihren Pferden und
fielen vor dem Erzbischof auf die Knie und baten,
der Stadt Ehre, Freiheiten und löbliche alte Ge-
wohnheiten und Rechte zu erhalten, wie es die Vor-
gänger Seiner Fürstlichen Gnaden nach altem Her-
kommen aus der braunschweigischen Herrschaft
getan hätten.112) Der Erzbischof ließ die vier wieder
aufsitzen und versprach, die Rechte zu bestätigen,
zu verbessern und nicht zu verschlechtern. Darauf-
hin befahl der Bürgermeister die Öffnung des Tores
und aus allen Stein- und Hakenbüchsen wurde
Salut geschossen als Zeichen der Freude. Als der
Bischof in die Stadt geritten kam und bei der Tränke
anlangte, empfingen ihn dort der Pfarrer mit aller
Geistlichkeit, der Rat und die Gilden mit ihren
Leuchtern. Unter feierlichem Gesang und Glok-
kengeläut zog man zur (Ober-)Kirche. Am folgen-
den Tage begab sich der Landesherr mit allen den
Seinen zum Rathaus und verlas dem Rat und den
Bürgern eine vom Domkapitel vorbereitete Erklä-
rung, übergab danach den Freiheitsbrief, der eben-
falls dem Rat und allen Bürgern vorgelesen wurde,
und nahm die Huldigung entgegen, erst der Rats-
herren, danach der Kaufmannschaft und anschlie-
ßend der Bäcker, Kürschner, Schmiede, Wollen-
weber, Knochenhauer, Leinenweber, Schneider,
Schuhmacher, zum Schluß der gildelosen Leute
und der Mitwohner. Alle Bewohner der Stadt (außer
den Juden) sind also in der Reihenfolge ihrer sozia-
len Rangstufe aufgezählt. Nach der Übergabe des
Freiheitsbriefes - der üblichen Privilegienbestä-
tigung113) — überreichte der Bürgermeister als
Geschenk 300 Rheinische Gulden in einem schwar-
zen Beutel, den sich der Erzbischof, allen Duder-
städtern dankend, um den Hals hängte.

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